Taiwan-Stück am Zürcher Theater Spektakel empört Chinesen
Am Zürcher Theater Spektakel wird eine fiktive Vertretung Taiwans eröffnet. Die chinesische Botschaft in Bern spricht von einem «reinen Propagandastück».
Das Wichtigste in Kürze
- In Zürich nimmt ein Theaterstück das Thema der Unabhängigkeit Taiwans auf.
- Die chinesische Botschaft in Bern kritisiert das aus ihrer Sicht irreführende Werk.
- Ein China-Experte ordnet die politische Bedeutung des Theaterstücks ein.
Die Taiwan-Frage sorgt immer wieder für grosse Diskussionen. China sieht die Insel als Teil seines Staates. Auch die meisten anderen Länder der Welt anerkennen Taiwan nicht als unabhängig – zumindest offiziell.
Dennoch funktioniert das politische System in Taiwan bereits ziemlich selbständig. Im Januar setzte sich beispielsweise der China-kritische Kandidat William Lai in der Präsidentschaftswahl durch.
Thema Taiwan «mehr auf dem Radar als auch schon»
Das Streitthema der Unabhängigkeit Taiwans nimmt jetzt auch das Zürcher Theater Spektakel auf. Ab heute Donnerstag wird nämlich mehrmals das Stück «Dies ist keine Botschaft (Made in Taiwan)» aufgeführt. Unter anderem wird dort die Frage aufgeworfen, was wäre, wenn Taiwan ein unabhängiger Staat wäre.
Der Veranstalter selbst ist sich bewusst, dass das Thema bewegt. Der Künstler Stefan Kaegi, der hinter dem Theater steckt, inszeniere eine politische Vertretung Taiwans, sagt Mediensprecherin Philine Erni gegenüber Nau.ch. Diese gebe es in der Realität aber nicht.
Erni führt aus: «Das ist ein spannendes Thema, das auch politische Aktualität hat.» Taiwan sei aktuell sicherlich «mehr auf dem Radar des Publikums als auch schon». Man habe bereits im Vorfeld mit grossem Interesse gerechnet – und der Vorverkauf laufe entsprechend gut.
Negative Rückmeldungen zur Themenwahl hat das Zürcher Theater Spektakel bisher nicht erhalten. Mehr Sicherheitsmassnahmen als normalerweise brauche es ebenfalls nicht. Erni erklärt: «Wir haben immer wieder politische Stücke aus diversen Kontexten und deshalb auch ein sehr ausführliches Sicherheitskonzept.»
Für Erni ist jedoch klar: Stücke, die «allen» gefallen, gebe es wohl ohnehin kaum. Und tatsächlich ist auch das Stück über Taiwan keine Ausnahme: Die chinesische Botschaft in Bern kritisiert das Stück auf Anfrage von Nau.ch nämlich scharf.
China: «Ein Propagandastück unter dem Deckmantel der ‹Kunst›»
Es sei bekannt, dass das Stück am Festival aufgeführt werde, sagt Sprecherin Wang Shaochen zunächst.
Von Kunstfreiheit will man hier aber nichts wissen: «Die chinesische Seite ist entschieden gegen die Aufführung von Stücken, die ‹Taiwans Unabhängigkeit› propagieren.» Man halte es für falsch, dass das Zürcher Theater Spektakel solchen Stücken eine Bühne bietet. Das «Ein-China-Prinzip» sei die Grundlage für die diplomatischen Beziehungen zwischen China und der Schweiz.
China respektiere zwar die «Freiheit des künstlerischen Schaffens», beteuert Wang. Man lehne es aber ab, wenn diese dazu benutzt werde, «die ‹Unabhängigkeit Taiwans› zu propagieren». Die Botschaft sieht darin eine «Einmischung in die inneren Angelegenheiten Chinas».
Das Stück sei «ein reines Propagandastück unter dem Deckmantel der ‹Kunst›», führt Wang aus. Es gehe nicht darum, freies Denken zu fördern. Stattdessen soll die Schweizer Öffentlichkeit so «in die Irre» geführt werden.
Für die chinesische Botschaft ist klar: «Es gibt nur ein China auf der Welt. Taiwan ist ein untrennbarer Teil des chinesischen Territoriums.» Man hoffe, dass die Schweizer Gesellschaft die Taiwan-Frage umfassend verstehe und richtig betrachte. Trotz der Verbreitung von «falschen Narrativen und Lügen».
Experte: Botschaft-Eröffnung wäre Überschreitung einer roten Linie
China-Experte Ralph Weber von der Universität Basel ist nicht überrascht, dass das Stück der chinesischen Botschaft nicht gefällt. Er sagt aber: «Ich denke nicht, dass das Theater besonders brisant sein sollte. In liberalen Demokratien soll ja die Freiheit der Kunst gewährleistet sein, auch politischer Kunst.»
Im Theaterstück wird eine taiwanische Botschaft eröffnet. «Damit wird die Vorstellung eines unabhängigen und international anerkannten Taiwan in den Raum gestellt», erklärt Weber. Wenn die taiwanesischen Behörden dies tatsächlich tun würden, käme das «dem Überschreiten einer roten Linie gleich». Im Theater werde das Thema aber «künstlerisch und fiktiv» bearbeitet.
Der Experte betont zudem, dass in der Schweiz durchaus auch China-freundliche Kunst aufgeführt werde. «So werden etwa hierzulande Konzerte im Sinne einer schweizerisch-chinesischen Freundschaft organisiert.»
In diesem Rahmen würden dann «höchst patriotische und nationalistische Lieder einem teils uninformierten Publikum vorgespielt». Laut Weber ist das «nicht illegal, aber bemerkenswert».
Schweiz setzt auf «Ein-China-Politik» der USA
Taiwan wird von den meisten Ländern nicht als eigener Staat anerkannt, wie Weber erklärt: «Die Schweiz verfolgt wie die Mehrheit westlicher Länder die von den USA konzipierte ‹Ein-China-Politik›.» Einzig die Volksrepublik China wird darin als rechtmässige Vertreterin Chinas betrachtet.
Die westlichen Staaten nehmen auf diese Weise zur Kenntnis, dass China Taiwan als Teil seines Gebiets sieht. Bewusst Stellung beziehen die Länder aber kaum. Das ist laut Weber auch der Unterschied zwischen der westlichen «Ein-China-Politik» und Pekings «Ein-China-Prinzip». Letzteres sagt klar, dass Taiwan integral zu China gehöre.
Wegen der «Ein-China-Politik» gibt es in der Schweiz auch keine taiwanische Botschaft, wie sie im Theaterstück eröffnet wurde. Stattdessen existiert nur ein Kultur- und Handelsbüro ohne diplomatischen Status, wie Weber ausführt.