In Basel hat ein Mann kürzlich getötet – erneut. Psychiater Frank Urbaniok kritisiert, dass die lebenslängliche Verwahrung bei Härtefällen umgangen wird.
Basel
Der mutmassliche Täter von Basel. - Staatsanwaltschaft Basel

Das Wichtigste in Kürze

  • Bei extrem gefährlichen Straftätern ist eine lebenslange Verwahrung möglich.
  • Das gilt jedoch nur auf dem Papier.
  • Tatsächlich macht das Bundesgericht eine entsprechende Verurteilung unmöglich.
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Es ist ein Fall, der Fragen aufwirft: In Basel hat ein 32-Jähriger, der bereits in der Vergangenheit tötete, eine Seniorin umgebracht. Er sass nach seiner ersten Tat in einer psychiatrischen Klinik. Zum Zeitpunkt des neusten Verbrechens war er auf dem Freigang.

Wäre der Mann nach seiner ersten Tat verwahrt geworden, wäre das Delikt nicht möglich gewesen. Das sorgt für Kritik – Kritik, die der forensische Psychiater Frank Urbaniok nachvollziehen kann.

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Der forensische Psychiater Frank Urbaniok. - keystone

Denn laut ihm wird die lebenslängliche Verwahrung von «extrem gefährlichen Sexual- und Gewaltstraftätern» fast immer umgangen. Und für ihn ist klar: «Damit wird der Volkswille missachtet, das ist demokratie- und sicherheitspolitisch bedenklich», wie er zu den «Tamedia»-Zeitungen sagt.

Denn 2004 hat das Volk die sogenannte Verwahrungsinitiative angenommen.

Als Beispiel führt er den Fall des Vierfachmörders von Rupperswil an: Thomas N. hatte 2015 eine Mutter, ihre Söhne und die Freundin eines Sohns umgebracht. Zuvor missbrauchte er einen der Söhne sexuell.

Vierfachmörder Rupperswil
In diesem Haus wohnte der Vierfachmörder von Rupperswil - nur etwa 500 Meter vom Tatort entfernt. (Archivbild) - keystone

Entgegen der staatsanwaltlichen Forderung war keine lebenslängliche Verwahrung für Thomas N. ausgesprochen worden. Der Grund: Man könne nicht ausschliessen, dass der Täter vielleicht doch noch innert der nächsten 20 Jahre erfolgreich therapiert werden könne.

«Vorgehen absolut willkürlich»

Laut Urbaniok liegt genau hier die Schwachstelle: Gutachter würden sich auf 20 Jahre festlegen, in denen ein Täter nicht therapierbar sei. Für die Gerichte sind 20 Jahre dann zu kurz, um eine lebenslängliche Verwahrung auszusprechen.

«Dieses Vorgehen ist absolut willkürlich», so der Forensiker. «Warum nimmt man 20 Jahre, warum nicht 30 oder 40? Wenn es unmöglich ist, die Therapierbarkeit für 50 Jahre vorherzusagen, warum sollte es dann für 20 Jahre möglich sein?»

Braucht es niedrigere Hürden für die lebenslängliche Verwahrung?

Seines Erachtens müsste festgelegt werden, ob ein Straffälliger auf lange Zeit untherapierbar und gefährlich sei und dieser Befund gegenüber dem öffentlichen Sicherheitsinteresse abgewogen werden. Das sei heute noch nicht der Fall.

Bundesgericht: Es braucht «definitive Therapieresistenz auf Lebzeiten»

Dafür würden aktuell angeordnete lebenslängliche Verwahrungen vom Bundesgericht gestoppt werden. Als 2013 das Au-pair-Mädchen Lucie von einem Wiederholungs-Straftäter getötet worden war, war diesem eine mindestens 15-jährige Nicht-Therapierbarkeit attestiert worden. Aargauer Gerichte wollten den Täter in die lebenslängliche Verwahrung übergeben.

Das Bundesgericht verhinderte diese jedoch mit dem Entscheid: Es müsse eine «auf immer unveränderliche Unbehandelbarkeit» bestehen, also «eine definitive Therapieresistenz auf Lebzeiten».

Urbaniok bezeichnet das als unmöglich. Denn nichts könne vorab bis in alle Ewigkeit vollumfänglich ausgeschlossen werden. Und darum gehe es bei dem Gesetz auch eigentlich überhaupt nicht.

Denn laut Strafgesetzbuch ist die lebenslängliche Verwahrung angemessen, wenn der Täter mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit rückfällig werde oder als «dauerhaft nicht therapierbar» angesehen wird.

Bisher nur ein einziger Verwahrungs-Fall

Bislang wurde nur ein einziges Mal tatsächlich eine lebenslängliche Verwahrung rechtskräftig. Und das wohl nur, weil der vorbestrafte Täter, der ein Callgirl ermordet hatte, das Urteil nicht vor die nächste Instanz weiterzog.

Täter lebenslange Verwahrung
Nationalrat Pascal Schmid war federführender Gerichtspräsident im Fall des Callgirl-Mörders. (Archivbild) - keystone

SVP-Nationalrat Pascal Schmid teilt die Meinung Urbanioks: «Das Bundesgericht hat die Voraussetzung der dauerhaften Untherapierbarkeit derart überhöht, dass die lebenslängliche Verwahrung faktisch nicht mehr ausgesprochen werden kann, weil kein Psychiater eine Prognose bis ans Lebensende stellen kann.»

So seien Voraussetzungen ausserhalb von Verfassung und geltendem Gesetz geschaffen worden.

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