Tötungsdelikt in Melser Asylunterkunft erneut vor Gericht
2018 wurde in einer Asylunterkunft in Mels SG ein Mann tödlich verletzt. Der Beschuldigte bestreitet seine Tat auch in zweiter Instanz nicht.

Das Wichtigste in Kürze
- Ein 38-Jähriger wurde 2018 in einer Asylunterkunft tödlich verletzt.
- Der Fall wurde jetzt am Kantonsgericht St. Gallen erneut verhandelt.
- Der Beschuldigte bestreitet seine Tat nicht.
2018 hat ein damals 32-jähriger Algerier in einer Asylunterkunft in Mels SG einen 38-jährigen Mann mit einem Küchenmesser tödlich verletzt. Die erste Instanz verurteilte ihn wegen Mordes zu 16 Jahren Haft.
Am Kantonsgericht St. Gallen wurde der Fall am Dienstag erneut verhandelt. Auch in zweiter Instanz bestritt der Beschuldigte seine Tat nicht.
Er gab nach wie vor zu, den Beschuldigten mit einem Küchenmesser angegriffen und verletzt zu haben. In einer früheren Vernehmung gab er an, dass er das Opfer nicht habe töten wollen.
Verschiedene Zeugen sagten aber aus, dass er die Tat mehrfach angekündigt habe. Von einem dieser Gespräche existiert eine Tonaufnahme.
Der Beschuldigte habe kaltblütig und skrupellos gehandelt, wiederholte die Staatsanwaltschaft vor dem Kantonsgericht ihre Argumentation. Dieser habe einige Tage vor der Tat ein Messer gekauft und am Bahnhof Mels versteckt.
Stach 29 Mal auf das Opfer ein
Danach sei er in die Asylunterkunft gegangen, um sich zu vergewissern, dass sein späteres Opfer anwesend sei. Darauf sei er das Messer holen gegangen und in die Asylunterkunft zurückgekehrt, wo er schliesslich vor mehreren Zeugen während rund einer Minute 29 Mal auf das Opfer, das in seinem Bett in der Massenunterkunft lag, einstach.
Der Beschuldigte bestritt den Tathergang nicht. Er ging allerdings kaum auf die Fragen der Kantonsrichter ein, sondern betonte immer wieder, wie sehr ihn die Verletzung plage, die der Getötete ihm ein paar Monate zuvor zugefügt haben soll. Er leide seither stark unter anhaltendem und nicht behandelbarem Tinnitus.
Die Behörden hätten seine Anzeige gegen das spätere Opfer fallen lassen, also habe er sich gezwungen gefühlt, seine Ehre selber wieder herzustellen. Niemand habe ihm ernsthaft helfen wollen bei seinen Problemen.
Hier hakte die Verteidigung ein, die auf Verurteilung wegen Totschlags statt Mords und eine maximale Freiheitsstrafe von sechseinhalb Jahren plädierte. Ein Affekt müsse nicht zwingend eine Kurzschlussreaktion sein, sondern könne sich über Jahre aufbauen. Sein Mandant habe unter den ständigen Beschimpfungen und Beleidigungen seines späteren Opfers jahrelang gelitten. Dann sei nach dem handfesten Streit 2017 der unerträgliche Tinnitus dazugekommen.
Keine psychologischen Therapien möglich
Der Beschuldigte leide bis heute, was sich auch im Haftalltag bemerkbar mache, so der Verteidiger. Selbst für ihn sei es schwierig, eine Beziehung zum Mandanten aufzubauen, einerseits sprachlich, andererseits, weil sämtliche Gespräche sich stets um den Tinnitus drehten. Psychologische Therapien seien unter diesen Bedingungen nicht möglich.
Er bat das Gericht, sich daher auch zu fragen, was für einen Sinn die lange Haftstrafe habe, wenn ohnehin keine Besserung zu erwarten sei. Ob es dann einfach noch eine Verwaltungsaufgabe sei, einen kranken Mann 16 Jahre lang zu hüten, fragte er.
Der Beschuldigte wirkte vor Gericht verzweifelt, er schluchzte oft, brauste ein paar Mal auf und versank dann wieder in seinem Stuhl. Ein Sicherheitsbeamter musste ihn zweimal beruhigen. Ein Richter brachte ihm Nastücher.
Seit einiger Zeit in Sicherheitshaft
Dem Kantonsgericht lag ein zehnseitiger Bericht über Disziplinarmassnahmen gegen den inhaftierten Beschuldigten vor. Schon mehrfach habe er Arrest kassiert. Er befindet sich seit einiger Zeit in Sicherheitshaft.
Der Beschuldigte äusserte sich nicht zu seinen Vergehen im Gefängnis oder stritt diese teilweise ab. Sein Verteidiger zeigte Verständnis für die erheblichen sozialen Probleme seines Mandanten im Haftalltag. Alles liesse sich auf die enorme psychische Belastung, die der Tinnitus bei ihm auslöse, und die Sprachbarrieren zurückführen.
Der Verteidiger plädierte auf eine Verurteilung wegen Totschlags zu sechseinhalb Jahren Haft unter Anrechnung der bereits verbüssten Jahre und eine Landesverweisung von höchstens neun Jahren sowie einer angemessenen Busse wegen diverser kleinerer Vergehen, die der Beschuldigte vor dem Tötungsdelikt verübt hatte.
Die Staatsanwaltschaft hingegen fordert weiterhin 20 Jahre Haft und einen Landesverweis von 15 Jahren. Das Kantonsgericht will sein Urteil in den nächsten Tagen fällen.