Studie

Über 1000 Missbrauchs-Fälle in der Schweizer katholischen Kirche

Keystone-SDA
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Zürich,

Eine neue Analyse deckt das Ausmass des Missbrauchs in der Katholischen Kirche auf. Seit 1950 soll es mindestens 1002 Fälle gegeben haben.

Kreuz
Ein Kreuz hängt an einer Kette. (Symbolbild) - dpa

Das Wichtigste in Kürze

  • Die Uni Zürich hat sich mit dem Thema Missbrauch in der Katholischen Kirche befasst.
  • Die Analyse hat insgesamt 1002 Fälle identifiziert.
  • Das sind mehr als von der Kirche bisher kommuniziert.

Katholische Kleriker und Ordensangehörige haben in der Schweiz seit 1950 mindestens 1002 Fälle von sexuellem Missbrauch begangen. Das zeigt eine Analyse von Geheimarchiven kirchlicher Institutionen durch Historikerinnen und Historiker der Universität Zürich (UZH).

Bei den identifizierten Fällen handle es sich zweifellos nur um die Spitze des Eisbergs, hiess es im am Dienstag veröffentlichten Bericht. Nicht alle Fälle sexuellen Missbrauchs hätten noch heute auffindbare Spuren in den Archiven hinterlassen. Zudem haben die Forschenden bisher nicht alle Dokumente ausgewertet. Es seien aber deutlich mehr Fälle, als von der Kirche bislang kommuniziert wurden.

Die römisch-katholische Kirche in der Schweiz hat neue Massnahmen gegen sexuellen Missbrauch beschlossen. Damit reagiert sie auf die am Dienstag veröffentlichte Pilotstudie. Damit sollen die Aufarbeitung fortgesetzt und institutionelle Mängel angegangen werden.

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Dies teilten die Schweizerische Bischofskonferenz (SBK), die Konferenz der Ordensgemeinschaften und anderer Gemeinschaften des gottgeweihten Lebens in der Schweiz (Kovos) und die Römisch-Katholische Zentralkonferenz der Schweiz (RKZ) am Dienstag mit.

Konkret sollen künftige Priester, Diakone und Mitglieder von Ordensgemeinschaften im Rahmen ihrer Ausbildung psychologische Abklärungen durchlaufen. Zudem sollen schweizweit professionelle Angebote geschaffen werden, bei denen Betroffene Missbräuche melden können.

In einer schriftlichen Selbstverpflichtung haben sich laut der katholischen Kirche ausserdem alle kirchlichen Verantwortlichen an der Spitze von Bistümern, Landeskirchen und Ordensgemeinschaften dazu verpflichtet, keine Akten mehr zu vernichten, die im Zusammenhang mit Missbrauchsfällen stehen oder den Umgang damit dokumentieren.

Grossteil der Opfer war minderjährig

Die 1002 Missbrauchsfälle, die die Forschenden für die Zeit seit 1950 belegen konnten, wurden von 510 Personen an 921 Opfern verübt. In 74 Prozent der Fälle waren die Opfer minderjährig. Knapp 56 Prozent der Opfer waren männlich. Die Beschuldigten waren bis auf wenige Ausnahmen Männer.

Bis in die 2000er-Jahre hinein haben die Verantwortliche der Kirche sexuellen Missbrauch in den meisten der ausgewerteten Fälle ignorierten, verschwiegen oder bagatellisiert, wie es im Bericht heisst. Erst ab Beginn des neuen Jahrhunderts veränderten sich demnach die Reaktionen der Kirche.

Knapp 22 Prozent der ausgewerteten Fälle ereigneten sich zwischen 1950 und 1959 und über 25 Prozent zwischen 1960 und 1969. Den darauffolgenden drei Jahrzehnten konnten jeweils noch rund ein Zehntel der Fälle zugeordnet werden. Von 2000 bis 2022 fanden schliesslich noch 12 Prozent der Fälle statt.

Täter waren oft Priester

Die Hälfte der Missbrauchsfälle wurden gemäss Auswertung im Rahmen der Pastoral verübt. Das bezeichnet das Wirken von Priestern und anderen kirchlichen Angestellten in einer ihnen zugeordneten Gemeinde.

Die Täterschaft bestand demnach zu einem wesentlichen Teil aus Priestern, die als Pfarrer, Pfarrvikare oder Kaplane in Pfarreien tätig waren, sowie in geringerem Masse aus einem erweiterten Kreis von kirchlichen Angestellten. Der sexuelle Missbrauch wurde also etwa in Rahmen der Seelsorge, des Ministrantendienstes oder des Religionsunterrichts verübt.

Rund 30 Prozent der Fälle wurden in katholischen Heimen, Schulen, Internaten und ähnlichen Anstalten verübt. Ein kleiner Teil der Fälle (rund zwei Prozent) wurden innerhalb von Orden festgestellt.

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Kreuz an einer Wand. (Symbolbild) - dpa

Für zwei Diözesen konnten die Forschenden die Vernichtung von Akten belegen. In den anderen ist laut dem Bericht aufgrund der Bestimmungen des kanonischen Rechts eine solche für bestimmte Zeiträume ebenfalls anzunehmen. Es ist zudem teilweise belegt, dass Meldungen von Betroffenen nicht konsequent schriftlich festgehalten wurden und dass nicht alle Meldungen Eingang in die Archive gefunden haben.

Ein grosser Teil der Fälle sexuellen Missbrauchs seien systematisch vertuscht worden, erklärten die Studienautorinnen und -autoren. Eine zentrale Strategie war dabei die Versetzung von fehlbaren Priestern – sowohl innerhalb der Schweiz als auch ins Ausland.

Damit sollte die öffentliche Thematisierung von Missbräuchen unterbunden und das gesellschaftliche Wissen um die Vergehen von katholischen Klerikern und anderen Angestellten eingeschränkt werden. Durch die Versetzung ins Ausland wurde zudem oft eine weltliche Strafverfolgung vermieden, wie die Autoren erklärten.

Projekt wird weitergeführt

Die Pilotstudie umfasste sämtliche Schweizer Diözesen, die staatskirchenrechtlichen Strukturen und die Ordensgemeinschaften. Auftraggeber der Studie waren die Schweizerische Bischofskonferenz (SBK), die Konferenz der Ordensgemeinschaften und anderer Gemeinschaften des gottgeweihten Lebens in der Schweiz (Kovos) und die Römisch-Katholische Zentralkonferenz der Schweiz (RKZ).

Das Forschungsprojekt werde nahtlos weitergeführt, hiess es. Es soll etwa untersucht werden, welche Verantwortung der Staat trage, und inwiefern katholische Spezifika den sexuellen Missbrauch allenfalls begünstigten.

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