Ukraine Krieg: Russen informieren sich auf Schweizer Plattformen
In Russland wird die Berichterstattung zum Ukraine-Krieg zensiert. Die Aufrufe des russischsprachigen Kanals von Swissinfo sind seitdem in die Höhe geschnellt.
Das Wichtigste in Kürze
- Aufgrund der Zensur in Russland informieren sich mehr Russen über Schweizer Plattformen.
- Der russischsprachige Kanal von Swissinfo wird jetzt dreimal öfter aufgerufen.
- Das Bedürfnis nach Infos aus glaubwürdigen Quellen sei enorm, sagt die Chefredaktorin.
Die zensierte Berichterstattung zum Ukraine-Krieg macht es Russinnen und Russen schwer, sich zu informieren. Jetzt suchen sie ihre Informationen vermehrt im Ausland. Auch in der Schweiz.
Die Nachrichtenplattform Swissinfo informiert ihre Leserschaft in zehn verschiedenen Sprachen – eine davon ist Russisch. Vier Mitarbeitende produzieren die Inhalte auf der Seite. Die Nachfrage danach ist zuletzt in die Höhe geschnellt, wie «Le Temps» berichtet.
Vor Ausbruch des Ukraine-Kriegs wurde die Plattform rund 50'000 Mal pro Woche aufgerufen. Jetzt sind es 153'000 wöchentliche Aufrufe – also mehr als dreimal so viele.
Chefredaktorin Larissa Bieler erklärt gegenüber der Zeitung: «Es gibt ein enormes Bedürfnis, sich aus einer glaubwürdigen Quelle zu informieren, aber auch, sich auszudrücken.»
Im Gegensatz zu Diensten wie der Deutschen Welle oder der BBC kann in den Kommentarspalten von Swissinfo weiterhin diskutiert werden. Dies bedeutet jedoch, dass bei den Kommentaren genau hingeschaut werden muss: Die Mitarbeitenden gehen 24 Stunden am Tag gegen Hasskommentare vor.
Ukraine-Krieg soll nicht relativiert werden
Die Leserschaft des russischsprachigen Kanals setzt sich unter anderem aus 32 Prozent Ukrainern und 23 Prozent Russen zusammen. Auch in den sozialen Medien verbreitet Swissinfo Informationen, unter anderem im aus Russland stammenden Netzwerk V-Kontakte.
90 Prozent der 23'000 Nutzer der Seite sind Russen – und die Kommentare entsprechend pro-russisch.
Dennoch ist es Swissinfo wichtig, «eine Plattform für interkulturellen Dialog zu bieten», so Bieler. Man wisse, dass das Publikum über «eine gute Allgemeinbildung» verfüge.
Der Ukraine-Krieg und die damit verbundenen Begrifflichkeiten stellen die Berichterstattung vor eine Herausforderung. Zu Beginn des Monats beschloss Swissinfo entsprechende Richtlinien.
So werden keine Begriffe verwendet, die «aus einem Propagandanarrativ beider Seiten stammen», erklärt Bieler gegenüber «Le Temps». Statt von einer «Sonderoperation» oder einer «Entnazifizierung der Ukraine» wird von «Krieg» und einer «Invasion Russlands» gesprochen. Swissinfo vermeidet jedoch ebenfalls, Russland als «Aggressor» zu bezeichnen. Somit soll eine Instrumentalisierung der Leserschaft verhindert werden.
«Die Gratlinie, der wir folgen, ist sehr schmal», sagt Reto Gysi von Wartburg, stellvertretender Chefredaktor. Für Larissa Bieler ist bei der Berichterstattung über den Ukraine-Krieg vor allem eines wichtig: «Wir wollen die Situation nicht relativieren.»