Umweltschützer kritisieren Regiolabels
Schweizer kaufen vermehrt regionale Produkte, doch sind diese wirklich nachhaltiger? Experten äussern Zweifel.
Schweizerinnen und Schweizer kaufen gerne regionale Produkte – auch aus Liebe zur Umwelt. Laut Umweltschützern sagen Regiolabels aber nichts über die Nachhaltigkeit der Produkte aus. Mit dem Kauf regionaler Produkte werde in erster Linie die lokale Wirtschaft unterstützt.
Laut einer neuen Umfrage von Comparis versuchen Menschen, die ihr Konsumverhalten wegen des Klimawandels anpassen, vermehrt regional einzukaufen. 36 Prozent der Naturverbundenen gaben im April an, mehr lokale Produkte zu konsumieren als vor einem Jahr.
Tatsächlich legte der Umsatz mit regionalen Produkten im vergangenen Jahr hierzulande zu. Der Verkauf von Produkten mit dem Label «regio.garantie» brachte gut 1,8 Milliarden Franken ein, wie der Verein Schweizer Regionalprodukte (VSR) jüngst bekannt gab. Er wuchs damit innert Jahresfrist um 13 Prozent.
Den grössten Anteil machte dabei das Geschäft mit regional produziertem Käse (35%) aus, gefolgt von Fleisch (19%) und Gemüse und Früchten (16%). Aber auch der Verkauf von zertifizierten Ackerbauprodukten legte stark zu.
Zudem wuchs die Anzahl Partner: So haben neben dem bisherigen Partner Migros mit der Linie «Aus der Region. Für die Region.» neu auch Aldi Schweiz mit «Saveurs Suisses» und Dallmayr mit «Enjoy Local» sowie Coop mit «Miini Region» und Lidl Schweiz mit «Klein aber fein» zertifizierte Regionalprodukte im Sortiment.
Was sagen Regiolabels wirklich aus?
Das Regelwerk des VSR schreibt einen Rohstoffanteil von mindestens 80 Prozent und eine Wertschöpfung von über zwei Dritteln aus einer «klar definierten Region» vor. Die Produktions- und Verarbeitungsbetriebe dürfen zudem nicht mehr als 30 Kilometer auseinanderliegen.
Damit leiste die Marke «einen seriösen und relevanten Beitrag zu einer nachhaltigeren Gesellschaft», kommentierte Vereinspräsident Manfred Bötsch die Jahreszahlen.
Expertinnen und Experten sehen dies jedoch kritisch. Laut der Plattform labelinfo.ch sagen reine Herkunftslabels sowie Bezeichnungen wie «vegan» oder «ohne Palmöl» nämlich wenig über die Nachhaltigkeit der Produkte aus. Diese seien folglich nicht mit Nachhaltigkeitslabels mit ausführlichen Richtlinien und Zertifizierungsprozessen vergleichbar, schliessen sie.
Damian Oettli, Leiter Markets beim Umweltschutzverband WWF, stimmt dem auf Anfrage der Nachrichtenagentur AWP zu: «Regiolabel sagen nichts über die Nachhaltigkeit der damit ausgezeichneten Produkte aus. Folglich seien lokale Produkte nicht per se nachhaltiger als Importware.»
«Entscheidend ist die Frage nach der Produktionsmethode», erklärt Oettli, ebenso wie der Landverbrauch und der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln, Wasser und Dünger. Er glaubt aber nicht, dass Detailhändler mit den Labels eine Form von Greenwashing betreiben.
Regionale Produkte: Lokal ja, nachhaltig nein?
«Regiolabel bestätigen die lokale Herkunft von Produkten und überprüfen diese auch. Nicht mehr und nicht weniger», so Oettli weiter. Indirekt profitierten die Grossverteiler wohl aber schon von der verbreiteten und oft irrigen Meinung, regional bedeute auch nachhaltig.
VSR-Präsident Manfred Bötsch widerspricht: Das Regiolabel umfasse Nachhaltigkeit – allerdings in einer «sozialen und wirtschaftlichen Dimension». So stärkten die Zertifizierungen etwa die Region. Laut dem Verein schaffen und sichern sie rund 70'000 Arbeitsplätze und über 1000 Lehrstellen.
Hinsichtlich der «ökologischen Dimension» sei es den Produzenten hingegen überlassen, ob sie etwa nach biologischen Richtlinien wirtschaften wollen. So könnten sich die Betriebe nach ihrer Zielgruppe richten, denn: «Nicht alle Kunden suchen Bio- oder IPS-Produkte oder können sich solche leisten.»