Die aktuellen Unwetter haben mehrere Schweizer Berggebiete hart getroffen. Experten schätzen ein, wie die Zukunft dieser Regionen aussehen könnte. Und warnen.
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Unwetter verursachten in den Schweizer Bergen viel Zerstörung. Dass man sich ganz aus den Regionen zurückzieht, ist jedoch kaum vorstellbar. - Nau.ch / Nico Leuthold

Das Wichtigste in Kürze

  • Die verheerenden Unwetter in der Schweiz machten insbesondere Bergregionen zu schaffen.
  • Mit dem Klimawandel und der Bevölkerungszunahme steigt das Risiko für solche Ereignisse.
  • Bergregionen trifft es hart – allerdings ist die Gefahr auch im Mittelland vorhanden.
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Es sind schlimme Bilder, die sich in den letzten Tagen und Wochen in mehreren Schweizer Regionen boten. Sei es in Graubünden, im Wallis oder im Tessin: Überall haben Unwetter für Zerstörung gesorgt. Mehrere Menschen kamen ums Leben.

Solche Katstrophen könnten wegen des Klimawandels häufiger auftreten, sind sich Experten einig. Eine Frage, die sich wegen der Unwetter stellt: Sind diese Gebiete in Zukunft unbewohnbar?

Luftaufnahmen von Nau.ch zeigen das Ausmass des verheerenden Erdrutsches in Graubünden. - Nau.ch/Nico Leuthold

Dass ganze Berggebiete als unbewohnbar erklärt werden müssen, sei «wenig wahrscheinlich», sagt Stefan Schneider. Der Geologe und Geschäftsleiter der CSD Ingenieure AG in Chur GR erklärt: «Eher kann es in gewissen Fällen zu Auszonungen von einzelnen Gebieten oder Häusern, zum Beispiel entlang von exponierten Gewässern, kommen.»

Fünftel der Siedlungsgebiete durch Unwetter und Co. bedroht

Bei der Raumplanung oder den baulichen Massnahmen zum Schutz vor Naturkatastrophen sei die Schweiz schon sehr weit. Schneider sagt: «Dennoch kann nicht alles vor extremen Unwettersituationen geschützt und verbaut werden.» Wichtig sei, dass man aus der Vergangenheit lerne.

Schneider betont zudem, dass der Klimawandel bei weitem nicht nur den Berggebieten zu schaffen machen wird: «Auswertungen zeigen, dass in der Schweiz rund ein Fünftel des Siedlungsgebietes durch Naturgefahren bedroht ist. Dies insbesondere durch Hochwasser und Oberflächenabfluss.»

Brisant: «Dabei kann es dicht besiedelte Gebiete, wie die grossen Ballungszentren im Mittelland, am stärksten treffen.» Konkrete Städte will er aber nicht nennen.

Am dichtesten besiedelt sind im Mittelland laut Statistik die Städte Genf, Zürich und Zug.

Rückzug aus Risikogebieten selten

Ob Berggebiete trotz Unwetter bewohnbar bleiben, hänge von vielen Faktoren ab, sagt Jan Kleinn. Er ist wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Forschungsgruppe Risiko und Resilienz am WSL-Institut für Schnee- und Lawinenforschung SLF.

In erster Linie stelle sich die Frage, «ob es Massnahmen gibt, die wirksam genug sind gegen die Gefährdung». Dann komme es darauf an, was diese Massnahmen kosten würden und wie viel man bereit sei zu zahlen. Letztlich müsse man auch in Erwägung ziehen, «welches Risiko die Gesellschaft bereit ist, zu tragen».

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In mehreren Schweizer Berggebieten spürt man die Folgen der Unwetter.
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Es gibt auch mehrere Todesopfer zu verzeichnen.
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Es stellt sich die Frage, ob diese Gebiete überhaupt noch bewohnbar sind.
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Prognosen sind schwierig, aber der Klimawandel könnte das Problem noch verschärfen.
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Das Risiko erhöht sich zudem auch, weil die Gesellschaft immer mehr Platz braucht.

Auch das Bundesamt für Umwelt betont, dass es verschiedene Faktoren gibt, die man berücksichtigen müsse. Ein Rückzug aus durch Naturgefahren stark gefährdeten Gebieten sei «eine Option», sagt Sprecher Robin Poell.

Allerdings betont er: «Ob eine Siedlung evakuiert oder umgesiedelt wird oder nicht, entscheidet die jeweilige Exekutive der Gemeinde nach Abwägung verschiedener Faktoren. Jeder Fall ist anders.» Der Bund könne eine solche Umsiedlung unterstützen. Grosse Umsiedlungen seien hierzulande bisher jedoch selten.

Klimawandel und zunehmende Besiedlung erhöhen Risiko

Die Experten sind sich einig, dass genaue Prognosen, wie hart die Schweiz künftig getroffen wird, schwierig sind. Kleinn erklärt, dass es in den nächsten fünf Jahren vom jeweiligen Wetter abhänge.

Schneider sagt: «Man geht heute davon aus, dass kleinräumige Ereignisse nach lokalen, aber heftigen Gewittern zunehmen werden. Im Einzelfall sind die Schäden an Infrastrukturen und Gebäuden nicht so gross. Aber mit der zunehmenden Häufigkeit summieren sich die Schäden.»

Doch nicht nur durch die Erderwärmung steigen die Risiken. Der Platzbedarf habe zugenommen, sagt Geologe Schneider. Entsprechend seien heute auch Gebiete bebaut, die früher gemieden wurden.

Machen dir der Klimawandel und seine Folgen Sorgen?

Und wo mehr Häuser stehen, ist auch das Risiko grösser, dass Sachen oder Menschen Schaden nehmen.

Die Frage, ob man künftig noch in bestimmten Berggebieten leben kann, lässt sich also nicht pauschal beantworten. Klar ist aber: Der Klimawandel sorgt für mehr Extremereignisse – und die stellen die Bevölkerung vor Herausforderungen.

«Der Mensch muss sich an die Veränderungen anpassen. Der Schutz vor Naturgefahren ist eine Daueraufgabe», sagt Poell.

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