VBZ: Zürcher ÖV-Betreiber in Kritik für «ungesunden» Arbeitsplan
Die VBZ sucht neue Chauffeure und Chauffeusen. Doch ausgerechnet der Arbeitsplan, mit dem sie für sich wirbt, bringt ihr Kritik ein.
Das Wichtigste in Kürze
- In der Deutschschweiz fehlt es an Buschauffeusen und -chauffeuren.
- Die Zürcher Tram- und Busbetreiberin VBZ sucht mit einer Job-Werbung Personal.
- Darin betont sie, wie abwechslungsreich der Job ist – doch genau das sorgt für Kritik.
«Jeder Tag ist anders!»
Mit diesem Spruch versucht die Zürcher Tram- und Busbetreiberin VBZ, Chauffeusen und Chauffeure anzuwerben. Doch ausgerechnet was sie als Vorteil darstellt, bringt ihr jetzt ordentlich Kritik ein.
Neben dem Slogan aufgedruckt ist nämlich auch ein Arbeitsplan. Tatsächlich unterstreicht der die Botschaft – rückt sie aber nicht gerade ins positivste Licht.
Laut dem Plan muss man nämlich manchmal um 4.30 Uhr morgens einrücken, ein andermal arbeitet man bis 1.30 Uhr morgens. Und das innerhalb von vier Tagen.
Auf der Social-Media-Plattform Reddit sorgt die Job-Werbung für Kopfschütteln. «Hast du da nicht komplett Probleme mit dem Schlafrhythmus?», meint jemand. «Klingt jedenfalls extrem ungesund.»
Ein anderer meint: «1.30 Feierabend und um 13 Uhr wieder anfangen? Niemals.» Einer urteilt gar: «Unmenschlich!»
«Negative Auswirkungen auf Schlafrhythmus»
Der Kritik schliesst sich Duri Beer an. Er ist Regionalsekretär der ÖV-Gewerkschaft VPOD, die die Interessen des VBZ-Personals vertritt. «Schichtarbeit hat zweifellos negative Auswirkungen auf den Schlafrhythmus», sagt er zu Nau.ch.
«Das späte Arbeitsende beeinträchtigt die Erholung am folgenden Tag. Insofern sind früher endende Dienste vor arbeitsfreien Tagen beliebter – das kann ich gut nachvollziehen.»
Schichtarbeit gelte als belastender als Tätigkeiten, die in einem eingeschränkten Zeitfenster stattfinden. «Zum Beispiel Bürojobs von 9 bis 17 Uhr.»
Ein weiterer Punkt an den Arbeitsplänen der VBZ, den er kritisiert: «Die Fahrerinnen und Fahrer müssen heute zu lange am Steuer sitzen, um auf ihre Zeit zu kommen.» Aktuell gilt für den Fahrdienst eine 40-Stunden-Woche.
«35 Stunden hinter dem Steuer genügen», findet Beer. «Die Verdichtung, die Situation im städtischen Nahverkehr sowie der Personalmangel erfordern diese Massnahme.»
Busfahrer können nicht aufs WC
Michael Spahr von der SEV, der grössten ÖV-Gewerkschaft der Schweiz, ergänzt: «Es sind verschiedene Probleme, die den Alltag von Busfahrerinnen und Busfahrern belasten. Dazu gehören auch die Schichtpläne.»
Es gebe Unternehmen, bei denen das Personal bis zu 13 Stunden im Einsatz ist. «Oft berichten uns Chauffeusen und Chauffeure, dass sie stundenlang nicht aufs WC können.» Grund seien zu kurze Pausen oder zu wenig Toiletten.
«Belastend sind auch Fahrzeiten, die mehr als vier Stunden dauern.» Die Gewerkschaften haben 2021 mit der Lausanner Unisanté eine Gesundheitsumfrage beim Buspersonal durchgeführt. Und die zeigt: «Die Belastung führt bei vielen zu Gesundheitsproblemen.»
Auch die SEV fordert deshalb Änderungen bei den Arbeitszeiten. «Dienstschichten sollten maximal zehn Stunden dauern, inklusive Pausen.» Zudem sollte das Personal nicht mehr als vier Stunden am Stück am Steuer sitzen. Und es brauche dringend mehr WCs.
Schliesslich fehlt es in der Deutschschweiz laut Spahr immer noch an Fahrpersonal.
VBZ stärkt Psyche von Chauffeuren
Judith Setz von der VBZ gibt gegenüber Nau.ch zu, dass das Schichtsystem im Arbeitsmarkt «eine besondere Herausforderung bleibt». Weil die VBZ aber 365 Tage im Jahr fährt, sei sie darauf angewiesen.
Den kritisierten Plan erklärt sie so: «Es handelt sich um das Beispiel eines Turnus-Arbeitsplans, in dem viele unserer Mitarbeitenden arbeiten. Ein Turnus besteht aus einer Abfolge von Diensten, Ruhe- und Ausgleichstagen.»
Darum sind auch nur vier Tage abgebildet. «Nach vier Arbeitstagen mit einer Abfolge von einem späteren auf einen früheren Dienst folgen zwei freie Tage.» Nach der vierten Arbeitswoche arbeite man fünf Tage und habe einen frei.
Das Ziel des Beispiels: «Fahrdienstinteressierten ein realistisches Bild» zu vermitteln.
Sie versichert aber, dass die VBZ stets Möglichkeiten prüfe, «etwa einzelne Dienstteile attraktiver zu machen». Der Fokus liegt laut Setz dabei auf Massnahmen rund um die Gesundheit.
Beispiele sind Angebote in den Bereichen Physiotherapie, Herzgesundheit und Ergonomie. Aber auch die Psyche des Personals will die VBZ stärken. So bietet sie Kurse zum Thema Resilienz an – also psychische Widerstandskraft.
Kein Wunder: Vor einigen Monaten klagte das VBZ-Personal über immer «aggressiver» werdenden Verkehr. Die Fähigkeit, einen kühlen Kopf zu bewahren, ist also zunehmend wichtig.