Waffenrecht: Nun weibeln auch Polizeidirektoren für ein Ja
Nicht nur Politiker streiten sich zum schärferen Waffenrecht. Auch unter Polizisten ist der Streit eskaliert. Jetzt warnen die Polizeidirektoren vor einem Nein.
Das Wichtigste in Kürze
- Die Abstimmung zum EU-Waffenrecht sorgt unter den Polizisten für heftige Diskussionen.
- Der Schweizerische Polizistenverband hat die Stimmfreigabe beschlossen.
- Nun sprechen sich die kantonalen Justiz- und Polizeidirektoren klar für ein Ja aus.
- Bei einem Nein drohe für die Polizeikommandanten ein «Alptraum».
Knapp zwei Wochen vor der Abstimmung zum schärferen Waffenrecht gehen die Wogen nochmals richtig hoch. Nachdem der Präsident des bernischen Polizeiverbandes auf Nau für ein Ja weibelte, liefen Polizisten Sturm.
Die grosse Breite der Polizeibasis sagt eindeutig NEIN! https://t.co/lxZRjC54x2
— Werner Salzmann (@WernerSalzmann) April 30, 2019
Nun äussert sich die Konferenz der kantonalen Justiz- und Polizeidirektorinnen und -direktoren. Der Aargauer SP-Regierungsrat Urs Hofmann ist der neue Präsident und Nachfolger des Genfer Staatsrat Pierre Maudet.
Nau.ch: Warum herrscht beim schärferen Waffenrecht Uneinigkeit unter den Polizei-Verbänden, was sind die Knackpunkte?
Urs Hofmann: Die Konferenzen der Kantonsregierungen (KdK) und der kantonalen Justiz- und Polizeidirektorinnen (KKJPD) haben sich für das neue Waffenrecht ausgesprochen. Aber auch die kantonalen Polizeikommandanten (KKPKS) sagen klar Ja.
Beim Verband Schweizerischer Polizei-Beamter (VSPB) handelt es sich um einen Berufsverband der Polizistinnen und Polizisten. Dieser hat selbst zu entscheiden, inwieweit er sich in politische Debatten einbringen will. Oder ob er angesichts der unterschiedlichen politischen Auffassungen seiner Mitglieder auf eine Parole verzichtet.
Nau.ch: Wie erleben Sie die Diskussion unter den Direktoren und Polizisten allgemein?
Urs Hofmann: Die Polizeidirektorinnen und –direktoren haben sich mit grosser Mehrheit für ein Ja ausgesprochen. Auch bei der Polizei sieht man die Wichtigkeit der Beteiligung am Schengener Abkommen. Deshalb unterstützen auch die kantonalen Polizeikommandanten das neue Waffenrecht.
Damit verbunden sind administrative Aufgaben bei der Registrierung und der Erteilung von Bewilligungen bei der Polizei. Dass diese nicht nur Freude auslösen, ist verständlich, wird aber im Interesse der Sache in Kauf genommen.
Nau.ch: Widerstand gibt es beispielsweise von Adrian Spahr (Junge SVP), er ist Kantonspolizist in Basel. Das Schengener Informationssystem sei wichtig, doch es gäbe wichtigere Polizeisysteme. Wie wichtig ist denn das System?
Urs Hofmann: Das Schengener Informationssystem (SIS) ist für die Arbeit der Polizei von grösster Bedeutung. Im Jahr 2017 erzielten die Schweizer Polizeibehörden dank des SIS 15'000 Fahndungstreffer. Zudem konnten sie 7000 Personen anhalten und mit Einreiseverboten belegen und 600 Verhaftungen vornehmen.
Der direkte Zugriff ist gerade auch im Bereich der Terrorbekämpfung und gegen die serielle Kriminalität (Einbruchdiebstähle!) besonders wichtig.
Nau.ch: Was würde sich im Alltag der Kommandanten ändern, wenn das schärfere Waffenrecht abgelehnt würde?
Urs Hofmann: Falls der im Schengener Abkommen vorgesehene Kündigungsautomatismus zum Tragen kommt, wäre die Schweiz nicht mehr Teil des Schengen-Raums. Der Zugriff auf das SIS wäre nicht mehr möglich, die Fahndungsarbeit der Polizei würde massiv erschwert. Zu Recht sprechen Polizeikommandanten bei diesem Szenario denn auch von einem «Albtraum».
Hinzu käme, dass die Grenzen zu unseren Nachbarstaaten zu Schengen-Ausgrenzen würden, so dass neu wieder Zollkontrollen durchgeführt würden. Die verkehrlichen und damit auch wirtschaftlichen Auswirkungen wären enorm. Auch der Tourismus würde leiden, da neu für die Schweiz wieder separate Visa erforderlich wären.
Sodann würden auch die Dubliner Regeln entfallen. Damit wären Asylgesuche von in anderen Staaten abgewiesenen Asylbewerbern in der Schweiz erneut zu prüfen. Beziehungsweise wären Rückführungen gemäss den Dublin-Regeln nicht mehr möglich. Auch dies führte zu zusätzlichen Aufwendungen der Polizei.