Wie grusig sind eigentlich Füsse auf dem ÖV-Sitz?
Dieses Foto aus einem Zug der Südostbahn sorgt für Ärger: Eine Skifahrerin blockiert ein ganzes Abteil mit ihrer Ausrüstung – Experten ordnen das Verhalten ein.
Das Wichtigste in Kürze
- Eine Skifahrerin besetzt mit ihrem Gepäck ein ganzes 4er-Abteil im ÖV.
- Ein solches Verhalten müsse nicht zwingend egoistisch sein, sagt ein Experte.
- Eine Hygiene-Beraterin erklärt, wie problematisch Socken auf dem Sitz sind.
In einem 4er-Zugabteil sollten, wie der Begriff bereits besagt, eigentlich vier Leute Platz haben. Eine Skifahrerin nahm dies kürzlich in der Südostbahn nicht so genau.
Wie ein auf X, vormals Twitter, geteiltes Bild zeigt, nimmt ihre Ausrüstung das gesamte Abteil ein. Sie hat ihre Schuhe ausgezogen und legt ihre Füsse mit den Socken auf einen Sitz. Helm und Rucksack nehmen je einen Platz ein. Die Ski versperren den Zugang. Dazu schaut sie auf dem Laptop einen Film.
Experte: «Egoismus hat zugenommen»
Wie lässt sich dieses Verhalten beurteilen?
Verhaltensforscher Christian Fichter betont zunächst, es komme auf den Kontext an: «Wenn es sonst noch genügend Platz hat im Abteil, so ist das Verhalten absolut in Ordnung. Wenn das Abteil aber gestossen voll ist, dann ist das Verhalten egoistisch und rücksichtslos.»
Grundsätzlich gelte: «Je voller der Zug und je länger die Fahrt, desto inakzeptabler wird das Verhalten.»
Die meisten Leute sind aus der Sicht von Fichter nicht rücksichtslos. «Aber es stimmt schon, dass einige Menschen in ihren Blasen leben und glauben, tun und lassen zu können, was sie wollen.»
Andere Fahrgäste würden in einer solchen Situation aber kaum eingreifen. Fichter nennt den sogenannten «Bystander-Effekt» als Grund dafür. Das heisst: Je mehr Leute anwesend sind, desto eher schiebt man die Verantwortung einzugreifen auf die anderen ab. Zudem werde man von einer «Angst vor Konfrontation» zurückgehalten.
Fichter beobachtet die Entwicklung in der Öffentlichkeit mit Sorge. Denn für den Experten ist klar: «Der Egoismus im öffentlichen Raum hat tatsächlich zugenommen und mit ihm das Konfliktpotenzial, da die Achtung vor dem Gemeinwohl zu schwinden scheint.»
Es brauche deshalb ein Umdenken – ein «Mindestmass an Anstand und Rücksichtnahme» müsse selbstverständlich sein. Fichter sagt: «Jeder sollte sich so verhalten, wie er es auch von seinen Mitmenschen erwartet.» Ähnlich formulierte es bereits der grosse Denker Immanuel Kant mit seinem kategorischen Imperativ im 18. Jahrhundert.
Füsse auf Sitz – ein Hygieneproblem?
Die Passagierin hat zudem ihre Schuhe ausgezogen und die Füsse auf dem Sitz gegenüber abgestellt. Wie grusig ist das?
«Aus dem persönlichen Empfinden heraus, möchte wahrscheinlich niemand auf einem Sitz Platz nehmen, auf dem eine andere Person ihre Füsse abgelegt hatte», kommentiert dies Daniela Böhmerle, Geschäftsführerin der Firma B&B Hygieneberatung.
Mit Blick auf eine mögliche Infektion sei die Gefahr aber gering. Die Hygiene-Expertin erklärt: «Es liesse sich eine Kette konstruieren, an deren Ende eine Erregerübertragung mit folgender Infektion stünde. Aber die Wahrscheinlichkeit, dass dies tatsächlich stattfindet, ist gering.»
Laut Böhmerle können verschiedene einfache Massnahmen die Ansteckungsgefahr zusätzlich senken. Bevor man etwas isst, sollte man sich nach einer Fahrt im öffentlichen Verkehr beispielsweise gründlich die Hände waschen. Auch, wenn man zu Hause ankommt, sollte man dies tun.