Die Fälle des Coronavirus haben sich stabilisiert. Gefährlich wird es, wenn das Gesundheitssystem an seine Grenzen stösst. Wie weit sind wir davon noch weg?
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Eine Medizinerin im Spital von Sion während der ersten Welle. Wann stösst das Gesundheitssystem an seine Genzen? - Keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Die Hospitalisierungen von Corona-Patienten nahmen zuletzt wieder zu.
  • In der ersten Welle musste der Betrieb im Gesundheitssystem drastisch reduziert werden.
  • Von einer Situation wie zu Beginn ist man allerdings noch weit entfernt.
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Vor gut drei Monaten vermeldete das BAG erstmals nach dem Lockdown mehr als 50 Neuinfektionen an einem Tag. Der hohe Wert sorgte damals für Besorgnis. Seitdem haben sich die Fälle des Coronavirus in der Schweiz in etwa verzehnfacht.

Früh gab es alarmierende Stimmen, Warnungen vor einer zweiten Welle. Doch die Behörden beruhigten immer wieder: Seiner Meinung nach gebe es keine zweite Welle, urteilte Gesundheitsminister Alain Berset. Man habe alles unter Kontrolle, beschwichtigte das kantonale Gesundheitsamt, als Genf zum ersten Hotspot nach dem Lockdown wurde.

Doch wie lange bleibt die Situation unter Kontrolle? In Madrid oder Israel mussten die Behörden erneut einen Lockdown ausrufen. Wie weit sind wir in der Schweiz noch davon entfernt?

Wenige Hospitalisierungen, kaum Tote

Die Statistiken geben den Behörden recht: Während mehr Infektionen als noch im Frühsommer vermeldet werden, bleibt die Zahl der Hospitalisierungen und Todesfälle im Verhältnis noch niedrig. Im Wesentlichen bestätigt sich damit, dass die Dunkelziffer der nicht registrierten Fälle im Vergleich zur ersten Welle drastisch gesunken ist.

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7-Tage-Mittelwert der Neuinfektionen seit Beginn der Epidemie in der Schweiz. Die Zahl der Infektionen ist auf der rechten Skala angegeben, für Hospitalisierungen und Todesfälle gilt die linke Skala. - BAG/Nau.ch

Dennoch lässt sich seit Anfang September ein leichter Aufwärtstrend bei Todesfällen und Hospitalisierungen erkennen. Steigen die Infektionszahlen, dürfte auch die Zahl der schweren Fälle zunehmen.

Oberstes Ziel: Das Gesundheitssystem schützen

Behandelt man das Coronavirus richtig, bleibt die Todesrate niedrig. Fatal wurde das Coronavirus an den Orten, an denen das Gesundheitssystem überfordert wurde.

«Wir haben Mühe, die Leute auf der Intensivstation am Leben zu halten», erklärt Infektiologe Hansjakob Furrer vom Berner Inselspital. Die Betreuung der schweren Fälle ist zeit- und personalintensiv – fehlen die Kapazitäten, sterben mehr Menschen.

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Ein Lazarett-Flugzeug der Deutschen Luftwaffe vor dem Abflug nach Bergamo Ende März: In der norditalienischen Stadt fehlte es an Kapazitäten, viele Menschen starben. - Keystone

In der ersten Welle ist man in der Schweiz glimpflich davon gekommen. Am 10. April waren 98 Prozent der Intensivbetten der Schweiz belegt, erklärt die Schweizerische Gesellschaft für Intensivmedizin (SGI) in einer Stellungnahme. Die Kapazitäten waren gerade eben ausreichend.

Keine erneute Situation wie in der ersten Welle

Typischerweise sind etwa 75 Prozent der Intensivbetten mit Patienten aller Art belegt. Auf dem Höhepunkt der ersten Welle waren 56 Prozent der Betten nur durch Patienten mit dem Coronavirus belegt. Eine Überlastung habe nur dank einer teilweise beträchtlichen Erhöhung der intensivmedizinischen Kapazitäten verhindert werden können, erklärt die SGI.

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Die Auslastung der Intensivbetten in Schweizer Spitälern während der ersten Welle: Am 10.4. betrug die Auslastung 98 Prozent. - SGI/Nau.ch

Ähnlich wichtig sei der Beschluss des Bundesrats gewesen, nicht dringend angezeigte medizinische Eingriffe und Therapien per 17. März zu verbieten. Entsprechend niedrig war die Auslastung durch nicht-Covid-Patienten. Doch auch nicht dringende Operationen sind essenziell – langfristig wäre eine derartige Situation wohl untragbar gewesen.

Wie viele Patienten mit Coronavirus sind tragbar?

Aktuell sind wir von einer Situation wie in der ersten Welle weit entfernt: Im Berner Inselspital befanden sich am vergangenen Mittwoch sechs Patienten in stationärer Behandlung.

Damit ist der reguläre Betrieb noch lange nicht beeinträchtigt: «Im regulären Betrieb kann die Insel Gruppe stationär 50 Covid-Patienten behandeln», erklärt Mediensprecher Adrian Grob. Hinzu kommen 10 bis 15 Plätze auf der Intensivstation, ehe der reguläre Betrieb eingeschränkt werden müsste. Damit könnte das Inselspital rund zehnmal mehr Patienten mit dem Coronavirus aufnehmen, als aktuell in Behandlung sind.

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Eine Medizinerin in der Intensivstation des Kantonsspitals Freiburg. Wann geraten die Spitäler wieder an ihre Kapazitätsgrenzen? - Keystone

Generelle Aussagen seien dennoch schwierig, da verschiedenste Faktoren eine Rolle spielen, gibt der Basler Kantonsarzt Thomas Steffen zu bedenken. Da die Fallzahlen deutlich langsamer ansteigen als beim ersten Ausbruch, habe man eine längere Reaktionszeit und könne früher Massnahmen ergreifen.

Das Coronavirus behält nach wie vor viele unbekannte Variablen. Bei den Neuinfektionen zeichnet sich noch keine Trendwende ab. Auch die Frage, wie das Virus auf die kalte Jahreszeit reagiert, bleibt derzeit noch unbeantwortet. Kann der Anstieg der Infektionen nicht gestoppt werden, stösst irgendwann auch wieder das Gesundheitssystem an seine Kapazitätsgrenze.

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