Wirtschaftsverbände blockieren Stadtberner Mindestlohn-Initiative
Mehrere Wirtschaftsverbände und Einzelpersonen haben Beschwerde gegen die Mindestlohn-Initiative eingereicht, da sie übergeordnetem Recht widersprech.

Das Begehren sei nicht mit übergeordnetem Recht vereinbar, machen sie in einer Beschwerde ans Regierungsstatthalteramt geltend. Der Gemeinderat machte die Beschwerde am Freitag publik. Eingereicht wurde sie von der Sektion Bern des kantonalen Handels- und Industrievereins (HIV), dem Gewerbeverband Berner KMU, dem Berner Arbeitgeberverband und Einzelpersonen. Das sagte HIV-Geschäftsführer Philip Kohli auf Anfrage der Nachrichtenagentur Keystone-SDA.
Die Beschwerdeführer wollten «irrwitzige Sonderregelungen» auf Gemeindeebene verhindern, die zu Standortnachteilen für die Unternehmen führten, sagte Kohli. Das Anliegen eines Mindestlohns müsste wenn schon auf nationaler oder zumindest kantonaler Ebene geregelt werden. Im Kanton Bern gebe es die nötigen Bestimmungen aber bereits durch die Sozialhilfegesetzgebung.
Kritik an Verzögerungstaktiken
Das Initiativkomitee sieht in der Beschwerde eine «Verzögerungstaktik zugunsten von Hungerlöhnen». Mit juristischen Winkelzügen werde die Einführung einer dringenden sozialpolitischen Massnahme verzögert.
Die Initiative stammt aus dem Lager von rot-grünen Parteien, Gewerkschaften und Hilfswerken. Sie fordert einen Stundenlohn von mindestens 23.80 Franken auf dem Gebiet der Stadt Bern. Damit soll prekären Arbeitsbedingungen der Riegel geschoben werden.
Solange die Beschwerde hängig ist, stehen die Fristen zur Bearbeitung des Begehrens still. Die einjährige Frist für den Gemeinderat, eine Vorlage zuhanden des Stadtrats auszuarbeiten, läuft demnach erst nach rechtskräftigem Abschluss des Beschwerdeverfahrens weiter.
Die Rolle der Stadtregierung
Der Initiativtext sieht vor, dass das Parlament ein Mindestlohnreglement erlassen soll. Vors Volk kommt das Begehren nur, falls der Stadtrat die Vorlage ablehnt, ein Gegenvorschlag erarbeitet wird oder falls das fakultative Referendum ergriffen werden sollte.
Die Stadtregierung hatte die Initiative im Januar für gültig erklärt. Aus ihrer Sicht ist das Begehren mit dem übergeordneten Recht vereinbar.
Die Entscheide des Zürcher Verwaltungsgerichts, mit denen die kommunalen Mindestlohn-Vorschriften der Städte Zürich und Winterthur aufgehoben wurden, seien nicht 1:1 auf die Stadt Bern übertragbar. Die Rechtslage in den beiden Kantonen unterscheide sich wesentlich.