Zürcher Gefängnisse werden zu «Smart Prisons» umgebaut
Zürcher Gefängnisse planen, ihren Alltag zu digitalisieren und den Häftlingen digitale Angebote zur Verfügung zu stellen.
Der Alltag in den Zürcher Gefängnissen ist bis jetzt sehr papierlastig. Das soll sich ändern: Justiz und Wiedereingliederung (Juwe) will den Häftlingen digitale Angebote zur Verfügung stellen. Geplant sind etwa Übersetzungsdienste, Bildungsangebote und Meditations-Apps.
Ohne Formulare geht in den Zürcher Justizvollzugsanstalten bis jetzt gar nichts: Vom Termin beim Gefängnis-Arzt bis hin zur Bestellung im Gefängniskiosk gibt es für alles ein Formular in Papierform.
«Der Alltag ist sehr papierig», sagte Justizdirektorin Jacqueline Fehr (SP) am Montag in Winterthur. Diese Papierlastigkeit betrifft nicht nur die Inhaftierten, sondern auch Aussenstehende, etwa Angehörige oder Anwältinnen und Anwälte, die nur per Brief oder Telefon mit Inhaftierten in Kontakt treten können.
Dies widerspricht dem so genannten «Normalisierungsprinzip», dem sich auch der Kanton Zürich verpflichtet hat: Dieses besagt, dass sich der Alltag hinter Gittern möglichst wenig vom Alltag in Freiheit unterscheiden darf.
Das Projekt «Smart Prisons Zürich»
Dieser Anspruch besteht deshalb, weil rund 99 Prozent aller Inhaftierten irgendwann sowieso wieder freikommen. Während der Zeit im Gefängnis würden sie aber den Anschluss an die digitale Entwicklung verpassen, sagte Fehr. Dies erschwere die Wiedereingliederung. «Es ist offensichtlich, dass etwas gehen muss.»
In seiner Sitzung vom 31. Januar genehmigte der Regierungsrat deshalb 15 Millionen Franken gebundene Ausgaben für das Projekt «Smart Prisons Zürich» (Smazh). Herzstück des Projekts ist eine digitale Plattform, die in den Gefängnissen zum Einsatz kommen soll.
Wie genau die Häftlinge auf die Plattform zugreifen sollen, ist noch nicht abschliessend geklärt. Voraussichtlich werden die Mitarbeitenden ihnen bei Bedarf einen Laptop ausleihen. Über diesen können die Häftlinge dann jene Anwendungen aufrufen, die der Kanton für ihr Gefängnis und ihr Haftregime freigeschaltet hat.
«Voraussichtlich werden nicht alle Inhaftierten alle Anwendungen erhalten», sagte Fehr dazu. Einen «normalen», uneingeschränkten Internetzugang wird es zudem trotz aller Digitalisierung nicht geben. Auch Mobiltelefone bleiben verboten, wie sie betonte.
Die digitalen Angebote
Geplant ist aber etwa, dass die Inhaftierten ihre eigene Agenda führen, die Bestellung am Kiosk online aufgeben oder Sprachen lernen können. Auch Meditations- und Fitnessübungen sollen auf die Plattform. Geprüft wird ein Zugang zu einer E-Bibliothek.
Angehörige sollen ihren Besuch zudem online anmelden können. Die Plattform stammt von der irischen Firma Coresystems, die seit zwanzig Jahren Software für Justizbehörden entwickelt.
Aktuell wird sie noch von «freundlichen Hackern» auf Schwachstellen getestet. Auch Mitarbeitende konnten die Plattform bereits begutachten.
Ende April oder Anfang Mai soll sie dann erstmals im Ausschaffungsgefängnis am Flughafen getestet werden, wo die Sicherheitsanforderungen vergleichsweise niedrig sind. Dort dürften vor allem Übersetzungsprogramme gefragt sein.
Danach sollen Vollzugsanstalten mit höheren Sicherheitsanforderungen dazukommen. Läuft alles nach Plan, wird die Plattform noch in diesem Jahr eingeführt.
Veränderung für Mitarbeiter
Auch für die Mitarbeitenden wird sich mit der Einführung von «Smart Prisons» einiges ändern. Sie werden neu digital arbeiten, etwa bei der Organisation der Werkstätten oder der Zusammenarbeit mit den Sozialdiensten.
Statt mit Formularen hin- und herzurennen, könnten sich die Mitarbeitenden dann vermehrt auf die Betreuung der Inhaftierten konzentrieren, sagte Fehr.
«Digitale Gefängnisse» in ähnlicher Form gibt es schon in Witzwil (BE) und Cazis (GR). Im Ausland sind bereits Gefängnisse in Finnland, Deutschland, Belgien und Grossbritannien digitalisiert oder auf dem Weg dahin.