Zürcher Therapeut hat Sex mit labiler Patientin (20)
Ein Zürcher Psychologe hat über Jahre mit seiner deutlich jüngeren Patientin geschlafen. Jetzt wurde er zu einer bedingten Haftstrafe verurteilt.
Das Wichtigste in Kürze
- Bei Meilen ZH hatte ein Psychologe über Jahre Sex mit einer jungen Patientin.
- Der Psychologe, der eine therapeutische Einrichtung leitet, wurde nun verurteilt.
- Vor Gericht ist von «sektenhaften Strukturen» die Rede.
Der Leiter einer therapeutischen Einrichtung bei Meilen ZH hatte über Jahre hinweg eine sexuelle Beziehung mit einer Patientin. Die deutlich jüngere Frau berichtet von «sektenähnlichen» Zuständen.
Die Frau war 20-jährig und psychisch labil, als sie 2012 das mittlerweile geschlossene Zentrum zum ersten Mal betrat. Wegen familiärer Probleme litt sie unter starken Panikattacken und lebte isoliert.
Auf Empfehlung ihrer Psychologin nahm Kunz an Gruppentherapien teil. Anfangs schien alles normal: Gemeinsames Einkaufen, Essen und Gespräche über ihre Probleme waren Teil des Therapieprogramms. Doch bald wurde die Grenze zwischen Therapie und Privatleben immer unschärfer.
Therapeutenpaar ermutigten Frau zum Kontaktabbruch mit der Familie
Die Frau, mittlerweile selbst Psychologin, wurde ermutigt, den Kontakt zu ihrer Familie abzubrechen. Sie verbrachte sogar Nächte im Haus des Therapeutenpaares. «Ich sah in ihnen so etwas wie Ersatzeltern», zitiert sie die «Zürichsee-Zeitung» vor Gericht.
Während eines Wochenendausflugs nach Italien machte der Therapeut dann Avancen – es kam zum Sex. Für die junge Frau war es das erste Mal, überrascht und überfordert habe sie den Mann «einfach machen lassen». Der heute 67-Jährige weigerte sich, vor Gericht seine Sicht der Dinge zu schildern.
Seine Frau bekam von dessen Betrug Wind, doch langfristige Konsequenzen habe es nicht gegeben. Es folgten Hunderte weitere sexuelle Begegnungen.
Therapieplatz stand mit «Psychosekte» in Verbindung
Die Patientin wirft ihm mehrfache Ausnutzung ihrer Notlage vor: «Es fällt mir bis heute schwer zu akzeptieren, dass ich mich auf so etwas eingelassen habe», sagt sie. Die Frau, die heute selbst Psychologin ist, erkennt nun, dass das damals Erlebte weit von einer klassischen Therapie entfernt war.
Die Einrichtung fiel schon früher durch fragwürdige Methoden auf. Sie wird mit einem früheren Verein in Verbindung gebracht, den Experten als «Psychosekte» bezeichnen.
Therapie hätte abgebrochen werden müssen
Die Verteidigung las vor Gericht zahlreiche Nachrichten und Mails vor, die die Frau dem Psychologen gesendet hatte. Darin war zu lesen, wie sie ihre Liebe beteuert und wie «aufgehoben und geborgen» sie sich bei ihm fühle. «Mein Mandant dachte, es sei eine echte Liebesbeziehung», sagte seine Anwältin.
Trotz der Verteidigungsbemühungen des Beschuldigten entschied das Bezirksgericht Meilen anders: Der labile Zustand der Frau und die «sektenhaften Strukturen» der Einrichtung hätten es ihr fast unmöglich gemacht, auszusteigen.
Zudem seien die Avancen eindeutig vom Beschuldigten aus gekommen. Der Therapeut hätte die Therapie sofort abbrechen müssen, als er merkte, dass er zu nahe gekommen war.
Das Gericht verurteilte den Beschuldigten zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 16 Monaten und einem fünfjährigen Tätigkeitsverbot. Zudem muss er seiner ehemaligen Patientin Geld in Höhe von 15'000 Franken zahlen. Das Urteil ist jedoch noch nicht rechtskräftig und kann innerhalb von 30 Tagen angefochten werden.
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