Zürich: Immer mehr Schwurbler weigern sich, Rechnungen zu zahlen
Seit der Corona-Pandemie stellen Verschwörungstheoretiker eine immer grössere Belastung für Zürcher Behörden dar. Die Justiz sieht eine Nähe zu Reichsbürgern.
Das Wichtigste in Kürze
- Immer mehr Anhänger von Verschwörungstheorien machen Zürcher Behörden zu schaffen.
- Sie weigern sich etwa sich auszuweisen, Briefe zu öffnen oder Rechnungen zu zahlen.
- Experten der Justiz sehen eine Nähe zur deutschen «Reichsbürger»-Szene.
Sie wollen sich nicht ausweisen, öffnen keine Briefe, zahlen keine Rechnungen: In den vergangenen drei Jahren machen immer mehr Anhänger der Verschwörungstheoretiker-Szene den Ämtern des Kantons Zürich zu schaffen.
In ihren Augen seien die Schweizer Behörden Firmen und die Ämter verfolgten einen Geheimplan. Im Netz kursieren Veranstaltungstipps und vorgefertigte Formulare, um verschiedenste Einsprachen auf den Ämtern zu vereinfachen. So wird etwa empfohlen, auf eine bestimmte Schreibweise des Namens zu pochen.
«Ich hatte im vergangenen Jahr fast wöchentlich mit einem solchen Fall zu tun», sagt Hansruedi Kocher gegenüber den Tamedia-Titeln. Er ist ehemaliger Statthalter des Bezirks Pfäffikon ZH. Die beschuldigten Personen hätten zahlreiche Bussen nicht gezahlt oder seien nicht zu Einvernahmen erschienen.
Nähe zu Reichsbürgern
«Die Leute argumentieren, dass sie keinen Vertrag mit uns hätten», so Kocher. «Ich merkte mit der Zeit rasch, wenn es sich wieder um Personen handelte, die der Reichsbürger-Szene zuzuordnen sind.» Anhänger dieser Verschwörungserzählung glauben, dass die Bundesrepublik Deutschland nicht existiert, staatliche Institutionen lehnen sie ab. Für sie gilt stattdessen das Recht des Deutschen Reichs von 1871 bis 1945.
Experten des Zürcher Justizvollzugs erklären, dass die in der Schweiz auftretende Verschwörungsideologie jener der deutschen Reichsbürger nahekomme. Besonders stark sei die Ähnlichkeit bezüglich der durch Verschwörungstheorien gestützte radikal ablehnende Staatshaltung. Der Mythos des Deutschen Reichs hingegen fehle hierzulande.
Insbesondere in den Pandemiejahren habe sich die Zahl der Anhänger dieser Ideologie vervielfacht. Gegenüber den Tamedia-Zeitungen sagt Jerome Endrass, stellvertretender Leiter des Zürcher Amts für Justizvollzug: «Es handelt sich um ein loses Netzwerk, das sich vorwiegend in sozialen Medien vernetzt. Für viele ist die Ideologie identitätsstiftend.»