Alina Murano (SP): Viertel ohne CH-Pass – Gefahr für Demokratie?
25 % der Schweizer Bevölkerung ist von demokratischen Prozessen ausgeschlossen. Murano erklärt im Gastbeitrag, wieso das eine Gefahr für die Demokratie ist.
Das Wichtigste in Kürze
- Am 27. März finden im Kanton Bern die Grossratswahlen statt.
- Alina Murano kandidiert für die SP.
Ein Viertel der Bevölkerung der Schweiz ist heute von der politischen Mitbestimmung ausgeschlossen. Von 8 Millionen Menschen haben zwei Millionen keinen Schweizer Pass. In gewissen Quartieren der Stadt Bern sind es sogar bis zu 35 %. Es ist an der Zeit, das Stimm- und Wahlrecht für alle Menschen, die in der Schweiz geboren sind, einzuführen.
Viele Menschen ohne Schweizer Staatsbürgerschaft sind in der Schweiz geboren und aufgewachsen oder leben seit vielen Jahren hier. Die Auswertung der Zahlen, wie lange Menschen in der Schweiz leben, ohne die Staatsbürgerschaft erlangen zu können, zeigen deutlich, dass es nicht am Einbürgerungswillen liegt, einen Schweizer Pass zu beantragen.
Hürden für Einbürgerungen zu hoch
Die Hürden sind schlicht zu hoch, zu komplex und zu teuer. Verglichen mit anderen europäischen Ländern ist die Einbürgerung in der Schweiz am schwierigsten. Besonders im Kanton Bern, der die strengsten Einbürgerungsregeln der Schweiz aufweist.
Bei den Menschen, die sich einbürgern lassen können, zeigen sich zudem grosse Unterschiede. Seit der letzten Gesetzesrevision im Jahr 2018 sind die Einbürgerungszahlen zurückgegangen, weil die Hürden zu hoch sind. Der Schweizer Pass geht nun vor allem an Hochqualifizierte aus dem deutschsprachigen Ausland.
Die Chancen und Rechte in der Schweiz sind zweifellos ungleich verteilt. Während Menschen ohne Schweizer Pass sämtliche Pflichten erfüllen müssen, wie beispielsweise Steuern bezahlen, werden ihnen gleichzeitig die politischen Rechte verwehrt.
Dabei geht ein Gedanke immer verloren: Migration hat es schon immer geben und wird es immer geben. Besonders die Schweiz war für ihr wirtschaftliches Wachstum auf Migration angewiesen und hat ganz erheblich davon profitiert. Die ständigen Bestrebungen, sich gegen angeblich Fremdes zu wehren, sind egoistisch und keine Basis für ein Miteinander. Es wird versucht, Menschen auszugrenzen, um eigene Privilegien zu schützen. Privilegien, die nur einem Zufall zu verdanken sind: Der Geburt als Kind eines Menschen mit Schweizerpass.
Wie vor dem Frauenstimmrecht
Die Vielfalt in unserer Gesellschaft ist Realität. Und das ist gut so. Indem aber ein Viertel der Schweizer Bevölkerung von politischen Prozessen ausgeschlossen wird, ist unsere Demokratie in Gefahr.
Was ist denn zu verlieren, wenn wirklich alle mitbestimmen dürften?
Nennen wir uns nicht gerne die beste Demokratie der Welt? Doch welche Demokratie schliesst ein Viertel der Bevölkerung von der Mitbestimmung aus?
Es ist zynisch und erinnert an die Zeit vor der Einführung des Frauenstimmrechts. Ein Teil der Bevölkerung entscheidet, dass ein anderer Teil nicht mitbestimmen dürfen soll. Das entspricht aber nicht dem Grundgedanken einer Demokratie, wo diejenigen Entscheide fällen sollen, die davon betroffen sind. Niemand soll sein Recht auf Mitbestimmung «verdienen» müssen.
Dem muss begegnet werden. Für eine echte Demokratie braucht es eine Veränderung. Alle Menschen, die in der Schweiz geboren werden, sollen das Recht auf einen Schweizer Pass erhalten. In einem ersten Schritt möchte ich mich dafür einsetzen, dass im Kanton Bern allen, die seit 5 Jahren in der Schweiz leben, das aktive und passive Wahl- und Stimmrecht gewährt wird.
Zur Autorin: Alina Murano ist Rechtsanwältin, SP-Stadträtin und Kandidatin für die Grossratswahlen im Kanton Bern.