Anja Glover (27): «Rassismus ist keine Meinungssache»

Anja Glover
Anja Glover

Bern,

Die freischaffende Journalistin Anja Glover setzt sich seit Jahren mit dem Thema Rassismus auseinander. Sie stellt fest: Die Schweiz steht noch am Anfang.

Rassismus Glover
Anja Glover (27) ist seit Jahren in der Schweizer Journalismus- und Kommunikationsszene als Freischaffende unterwegs. - zVg

Das Wichtigste in Kürze

  • Der Dubler-«Mohrenkopf» hat die Rassismus-Debatte in der Schweiz erst richtig entfacht.
  • Die Journalistin Anja Glover hat eine Debatte mit Roger Köppel (SVP) abgelehnt.
  • Sie stellt in ihrem Gastbeitrag klar: Rassismus ist keine Meinungssache.

Was mit einem Schock in den USA gestartet hat, artet nun hierzulande mit einer Debatte über eine Süssigkeit aus. Damit setzen wir in der Schweiz bei der Rassismus-Debatte ganz vorne an. Nämlich bei der Erklärung, was Rassismus ist, wo er sich zeigt und bei der Wirkung von Sprache.

Es wird ein pro und contra gebildet, man redet von rechts und links, von Normalität und Übertreibung. Das Resultat: Alle sind müde, niemand weiss mehr, was man darf und was man nicht darf oder was man soll und nicht soll. Alle haben Angst und genau daher rührt die Empörung und das Unverständnis.

Dubler Mohrenkopf
Die Dubler-Mohrenköpfe wurden aus dem Migros-Sortiment gestrichen. - Keystone

Die Diskussion erschöpft sich an der Oberfläche, bevor wir mehr über das eigentliche Thema lernen konnten. Die aktuellen Debatten spalten die Gesellschaft, obwohl das eigentliche Ziel der Bewegung das Vereinen ebendieser beabsichtigt. In der Medienlandschaft tut man sich schwer, über Rassismus zu informieren, darüber zu diskutieren, woher er kommt und was wir tun müssen, damit er geht.

Und das, weil man nicht derselben Meinung darüber ist, ob er überhaupt existiert. Weil Rassismus noch immer wie eine Meinungssache behandelt wird.

Gespräche mit demselben Ziel

Um die Thematik zu behandeln braucht es selbstverständlich Gespräche. Man muss über verschiedene Ansätze und Vorgehensweisen diskutieren. Aber die Gespräche zum Thema Rassismus sollen nur ein einziges Ziel haben: dessen Abschaffung.

Dass man von dieser Basis ausgehen sollte, ist nicht eine persönliche Meinung, sondern steht in der Verfassung. Und auch die Diskriminierung von Betroffenen ist nicht eine Meinung, sondern unser Leben.

Lernen anstatt polarisieren

Im Podcast «Kafi am Freitag» gehe ich auf gestellte Fragen ein, erkläre Zusammenhänge, die wir vielleicht in der Schule nicht gelernt haben, und rede mit Menschen, die sich seit Jahren mit der Thematik auseinandersetzen. Ich versuche zu erklären. Dass dies der richtige Weg ist, mit der Thematik umzugehen, nämlich zu erklären und auf Fragen einzugehen, das wiederum, ist meine Meinung.

Rassismus aber ist keine Meinungssache, keine individuelle Entscheidung, es ist auch nicht eine persönliche Unterscheidung. Damit etwas als rassistisch eingestuft werden kann, braucht es eine Struktur, die in den meisten Fällen historisch gegeben ist und dazu führt, dass Ungleichheit für einen bestimmten Teil einer Gesellschaft existiert. Es befinden sich also bestimmte Elemente im Alltag, die jene Ungleichheit nochmals verstärken, nochmals wiederholen und demnach rassistisch sind.

Das heisst aber nicht, dass man ein Rassist oder eine Rassistin ist, wenn man diese Elemente gebraucht. Es spielt in diesem Sinn keine grosse Rolle, was man persönlich davon denkt, sondern ob man die Zusammenhänge erkennt oder nicht.

Antirassismus
Tausende demonstrierten am Samstag, 13. Juni, in Bern gegen Rassismus. - Keystone

Es ist aktuell auch nicht unsere Schuld, dass Rassismus in unserem Alltag verankert ist. Es ist nicht schlimm, wenn man etwas nicht weiss. Es wird erst bedenklich, wenn man etwas weiss und sich weigert, sein Verhalten zu ändern. Handlungsbedarf besteht nicht erst, wenn etwas Drastisches passiert. Drastisches passiert nur, weil nicht vorher gehandelt wurde.

Die einzige Forderung, die aktuell besteht, ist das Anerkennen der Existenz von Rassismus und die Auseinandersetzung damit. Wenn wir uns damit bereits schwertun, stehen wir ganz am Anfang der Diskussion. Falls man nach dem Lernen immer noch daran glaubt, Rassismus sei eine Meinungssache, dann ist es auch okay, seine Meinung zu ändern, nachdem man etwas dazugelernt hat.

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