Burka

Burka Miseria!

Reda El Arbi
Reda El Arbi

Zürich,

Unser Kolumnist fürchtet sich nicht vor 100 Burkaträgerinnen und glaubt an die Kraft freiheitlicher Werte. Im Gegensatz zu den Initianten.

Reda El Arbi
Gastautor bei Nau.ch: Reda El Arbi. - Nau.ch

Das Wichtigste in Kürze

  • Nau.ch-Kolumnist Reda El Arbi erklärt die linksgrünversiffte Welt.
  • Reda El Arbi erlangte als Blogger und Journalist Bekanntheit.
  • Bis 2011 war er Chefredaktor des Satiremagazins «Hauptstadt».
  • Er lebt mit Frau und zwei Hunden in Stein am Rhein SH.

Um es gleich zu sagen: Ich finde das Tragen von Niqab und Burka idiotisch, wie alle Formen fundamentalistischer, rückwärts gerichteter, misogyner Sekten. Wenn man aber für ein Verbot ist, sollte man die Sache vielleicht noch einmal richtig durchdenken.

Viele Befürworter meinen, man müsse dem politischen Islam und dem Islamismus mit dem Verbot entgegentreten und die freiheitlichen Werte verteidigen. Für mich ist schleierhaft (!), wie ein Verbot für Burkas für weniger als 200 Frauen schweizweit dem Islamismus etwas entgegensetzen soll. Wenn das Verbot überhaupt irgendwas bewirkt, dann eine Radikalisierung dieser Frauen, von denen die Meisten, entgegen dem Mythos des Zwangs, den Schleier aus freiem Willen tragen. Zudem sind für die Initianten nicht die Frauen das Ziel, sondern die Religion. Ich frage mich, wie diese Leute argumentieren, wenn sie mit einem Verbot (!) die freiheitlichen (!) Werte schützen wollen.

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Muslimische Touristen mit Kopftuch und Gesichtsschleier. - Keystone

Viel Logik kann da nicht drinstecken, wenn man berücksichtigt, dass die Niqab-Trägerinnen effektiv keine Gefahr für irgendwen darstellen. Wenn ein Burkaverbot für ein paar Frauen notwendig ist, um die westliche Gesellschaft vor dem Islamismus zu beschützen, scheint diese Gesellschaft wohl etwas schwach und ihre Werte ständen auf wackeligen Füssen.

Ich persönlich habe aber Vertrauen in unsere Werte. Ich nässe mich nicht ein vor Angst um die Freiheit, wenn ich irgendwo eine Frau sehe, die ihr Gesicht verhüllt. Wir schützen unsere freiheitlichen Werte, in dem wir sie vorleben, aufzeigen, dass sie stärker sind, nicht, indem wir sie mit symbolischen Verboten ad absurdum führen.

Ein Argument der Befürworter ist, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte das Tragen einer Burka nicht als Menschenrecht ansieht. Right. Und das von Leuten, die sonst mit Zähnen und Klauen gegen fremde Richter kämpfen. Auch ist das ein Umkehrargument, das sowohl intellektuell unredlich wie auch einfach billig ist. So zur Klarstellung: Eine Gesellschaft, die nur das erlaubt, was vom EGMR als Menschenrecht definiert wurde, ist keine freiheitliche Gesellschaft.

burkaverbot schweizerische volkspartei
In den Räten wird die Burka-Initiative abgelehnt. - Keystone

Wenn wir anfangen, Symbole extremistischer Gesinnung zu verbieten, müsste man dann nicht mit dem Hakenkreuz oder anderen rechtsextremen Symbolen anfangen? Oder mit dem RAF-Symbol der Linksextremen? Beides ist in der Schweiz erlaubt. Das Tragen von KKK-Kutten und Kapuzen übrigens auch. Also, wo fangen wir an?

Ein anderes Argument ist, dass wir in unserer Gesellschaft «Gesicht zeigen». Das ist wirklich nett, weil wir ja heute in den Kommentaren der selbsternannten Eidgenossen und anonymen Plauderis sehen werden, wie viel dieses Argument wert ist.

Diese ganze Argumentation ist Gratis-Mut, zum Mitnehmen am Strassenrand. Nach der Minarett-Initiative ist sie wohl die billigste Symbolinitiative zum Wohlfühlen für Sofa-Freiheitskämpfer. Eine Art politische Selbstbefriedigung ohne reale Wirkung in der Welt.

Ein anderer Teil der Initianten will die «armen Frauen befreien». Das ist eher lustig, wenn man bedenkt, dass die Initiative und die Initianten aus dem Dunstfeld der Partei kommen, die noch vor kurzer Zeit Vergewaltigung in der Ehe für Privatsache hielten. Und es ist idiotisch anzunehmen, diese Frauen würden nach einem Burkaverbot einfach ihren Schleier abwerfen und mit bluttem Gesicht befreit auf der Strasse tanzen. Die Frauen wären noch isolierter, würden das Haus kaum mehr verlassen und kämen nicht mehr in Kontakt mit gemässigten Muslimas, die sie vielleicht wirklich erreichen könnten. Dazu würden sie kriminalisiert. Wie diese noch stärkere Marginalisierung diese Frauen aus dem Griff des dümmlichen Fundamentalismus retten soll, ist mir nicht ersichtlich.

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In der Schweiz gebe es nur 95-130 Burka- oder Niqab-Trägerinnen, sagt der Bundesrat. - keystone

Es geht offensichtlich auch nicht darum, die Frauen zu schützen. Das würde man, wenn man Männern verbieten würde, ihre Frauen zum Schleier zu zwingen. Aber das ist bereits verboten, und damit liesse sich keine demagogische Symbolpolitik und islamophobe Hetze machen. Die Initianten missbrauchen diese paar Frauen für ein politisches Statement, genau wie die Islamisten sie für ihr politisches Statement benutzen.

Die Befürworter bringen im Abstimmungskampf die immer gleichen vier oder fünf Muslima auf die Bühne, die sich für ein Verbot aussprechen. Das Paradoxe daran ist, dass gerade diese Muslima zeigen, dass keine Muslima einen Schleier tragen muss. Wenn sie das aus einem rückständigen Glauben oder aus kultureller Prägung macht, ist das ihre eigene Wahl. Symbole religiöser Verblendung sind in der Schweiz nicht verboten. Auch hier die Frage, wo man mit den Verboten anfangen sollte? Wenn wir die Burka verbieten, verbieten wir dann den orthodoxen Juden auch Kippa, Bart und Schläfenlocke? Zwingen wir ihre Söhne zum Handschlag mit der Lehrerin? Schliesslich ist diese Gemeinschaft auch nicht gerade frauenfreundlich. Oder zwingen wir puritanische Freikirchler zum Sex vor der Ehe, weil alles andere längst überholte, alttestamentarische Morallehre ist?

Kurz: Die Burka ist ein Ausdruck rückständiger, sektiererischer Religion. Wie die meisten fundamentalistischen Sekten zutiefst misogyn und dumm. Aber Dummheit und Selbstkasteiung ist nun mal nicht verboten.

In meinen Augen reicht der Gegenvorschlag, der die Burka aus den Amtsstuben, den Schulen und den öffentlichen Ämtern verbannt, völlig aus. Ich würde dieses Verbot sogar auf alle Religionen ausdehnen, weil irgendwo in unserer Verfassung, gleich neben dem Recht auf Religionsfreiheit, die Trennung von Kirche und Staat geschrieben steht.

Ständerat Burkaverbot
Eine Frau trägt einen Niqab. - Keystone

Disclaimer: Der Autor ist katholisch aufgewachsen und heute Atheist. Aber da viele der anonymen Kommentatoren, die «Gesicht zeigen wollen», gar nicht bis hierher lesen, ist die Information hier wohl verschwendet.

Zum Autor: Reda El Arbi ist 51-jährig, kommt aus Zürich und zog vor einigen Jahren nach Stein am Rhein. Grosse Bekanntheit erlangte er mit seinem Zürcher «Stadtblog» für den «Tagesanzeiger». El Arbi schreibt unverblümt, hat zu allem eine Meinung und polarisiert auch gern. Er ist verheiratet und lebt mit Frau und mehreren Hunden in Stein am Rhein SH.

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