Werden bald alle Läden geschlossen? Die Detailhandels-Präsidentin Christa Markwalder (FDP) schreibt in diesem Gastbeitrag, warum das der falsche Weg wäre.
Christa Markwalder Coronavirus Läden
FDP-Nationalrätin Christa Markwalder ist Präsidentin der Swiss Retail Federation. In einem Gastbeitrag warnt sie eindringlich vor einer Schliessung der Läden. - Keystone/nau.ch

Das Wichtigste in Kürze

  • Der Bundesrat hat Sperrstunden für Läden eingeführt und Sonntagsverkäufe verboten.
  • Am Freitag könnten weitere Verschärfungen der Massnahmen folgen.
  • Laut Christa Markwalder gibt es keine Evidenzen, dass Läden Corona-Übertragungsorte sind.
  • Sie ist Berner FDP-Nationalrätin und Präsidentin von Swiss Retail.
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Um die Ausbreitung des Coronavirus gezielt und wirksam einzudämmen, brauchen wir mehr Informationen zu Ansteckungsorten. Verlässliche Daten gibt es keine, da nur ein Drittel der positiv Getesteten eine Angabe zum vermuteten Ansteckungsort macht.

Einkaufsläden sind nicht dabei. Gemäss den vom BAG erhobenen Zahlen steckt sich der grösste Teil in der Familie an. Doch daraus ergibt sich die Frage, wie das Virus überhaupt in die Familie kam.

Christa Markwalder
Die Berner FDP-Nationalrätin Christa Markwalder ist Präsidentin der Swiss Retail Federation. - Keystone

Trotz dieser ungeklärten Fragen stehen im Fokus der Massnahmen des Bundesrats und der Kantone vorderhand Einschränkungen in der Gastronomie und im Detailhandel. Dies in der Logik, dass wo Menschen zusammenkommen, das Übertragungsrisiko höher ist. Auf eine entsprechende Frage von Roland Fischer (GLP LU), wie hoch die Ansteckungen in gastgewerblichen Betrieben tatsächlich sei, antwortete Bundesrat Berset, dass von 7% der befragten Personen Bars oder Restaurants und 2% Discos oder Clubs als Ansteckungsort angaben.

Alain Berset Restaurants Coronavirus
Alain Berset nennt in der Fragestunde des Nationalrats Zahlen: Sieben Prozent der Befragten geben an, sich wohl in einer Bar oder einem Restaurant mit dem Coronavirus angesteckt zu haben. - Keystone

Er verwies zudem auf amerikanische Studien, die Super-Spreader-Orte identifizierten: geschlossene Räume, wo sich mehrere Menschen über längere Zeit aufhielten, u.a. Fitnessstudios, Cafés und Restaurants.

Ob es an diesen amerikanischen Super-Spreader-Orten Schutzkonzepte gab, wie wir sie seit der ersten Welle der Pandemie in der Schweiz kennen, ist uns jedoch nicht bekannt.

Lösungen statt erzieherische Massnahmen

Auf meine Frage hin, ob längere und einheitliche Ladenöffnungszeiten (inkl. Sonntagsverkäufe) in der Weihnachtszeit die Kundenströme besser verteilen und damit der Pandemiebekämpfung dienen würden, antwortete Bundesrat Berset, dass die Einschränkung der Ladenöffnungszeiten zu einer Verringerung der Mobilität und der damit einhergehenden Kontakte führen sollen.

Der Bundesrat ist der Ansicht, dass gerade Sonntagsverkäufe häufig nicht nur den nötigen Einkäufen dienen, sondern auch Treffen mit Bekannten und Freunden zur Folge haben. Die Daten gäben über den Ansteckungsort «Läden» jedoch keine Auskunft.

Coronavirus Läden
Eine Frau mit Maske steht vor einem Ladeneingang in Freiburg, wo die Regeln des BAG und auch der Ein- und Ausgang klar gekennzeichnet sind. - Keystone

Konkret heisst dies, dass die Beschränkung der Ladenöffnungszeiten und das Verbot von Sonntagsverkäufen eher eine «erzieherische Massnahme» für die Bevölkerung darstellt und dem Bedürfnis der Menschen, ihre Weihnachtseinkäufe nicht in überfüllten Läden tätigen zu müssen, nicht gerecht wird.

Christa Markwalder: Läden sind keine Corona-Übertragungsorte

Seitens des Schweizer Detailhandels haben wir jedoch Evidenzen, dass die Einkaufsläden keine Übertragungsorte des Corona-Virus sind. Zunächst ist dies der Tatsache zu verdanken, dass bereits im Frühjahr sofort wirksame Schutzkonzepte umgesetzt wurden mit Desinfektionsmitteln am Eingang, Kundenstrom-Lenkungen durch die Läden, Plexiglas-Schutz an der Kasse, der Aufforderung zur bargeldlosen Zahlung, Abstandsmarkierungen auf dem Boden für Warteschlangen und Einlass-Beschränkungen in Warenhäusern.

Coronavirus Läden
Eine Zutrittskontrolle im Rahmen der Corona (Covid-19) Massnahmen beim Globus Zürich am Löwenplatz aufgenommen am Sonntag, 11. Oktober 2020, in Zürich. - Keystone

Während des Lock-downs im Frühjahr – als nur die Lebensmittel-Läden geöffnet halten durften – zeigte sich zudem, dass die Ausfälle beim Personal wegen Krankheit im Vergleich zur selben Vorjahresperiode nicht höher, sondern teilweise sogar tiefer waren.

Dass der Detailhandel offensichtlich kein Ansteckungsort ist, bestätigen auch die Zahlen aus den Kantonen Waadt, Wallis und Genf. Im Wallis und in der Waadt wurde der Detailhandel nicht geschlossen, gleichwohl gingen die Ansteckungszahlen deutlich zurück.

In Genf, wo die Läden geschlossen wurden, sanken die Fallzahlen ebenfalls deutlich. Die Senkung der Ansteckungszahlen kann also nicht auf die Schliessung der Läden zurückgeführt werden, weshalb dies im Umkehrschluss keine wirksame Massnahme zur Pandemiebekämpfung darstellt.

Coronavirus Läden
Eine Verkäuferin der Migros bedient hinter einer Glasscheibe eine Kundin. - Keystone

Wirksamkeit und Verhältnismässigkeit: Diese zwei Prinzipien müssen die Grundsätze jeglicher behördlichen Interventionen sein. Inzwischen sind sie auf meinen Antrag hin auch im COVID19-Gesetz verankert. Jede Massnahme – sei sie vom Bundesrat oder von Kantonsregierungen erlassen – muss diesen Stresstest bestehen. Schliesslich geht es darum, die Gesundheit der Bevölkerung zu schützen, das Gesundheitssystem nicht zu überlasten und gleichzeitig nicht auf unnötige Weise Existenzen zu gefährden. Der präventive gesundheitliche Nutzen von behördlichen Massnahmen muss gegenüber den wirtschaftlichen Kollateralschäden sorgfältig abgewogen werden.

Längere Einkaufszeiten = weniger Gedränge

Letztlich kommt noch das «Zauberwort» der Kohärenz dazu: Will man Ansammlungen von Menschen vermeiden, muss man nicht die Ladenöffnungszeiten verkürzen und den Sonntagsverkauf verbieten. Die Glättung der Kundenfrequenzen gelingt besser, wenn die Menschen länger – und während der Vorweihnachtszeit auch am Sonntag – Zeit zum Einkaufen haben und sich gleichzeitig informieren können, wann es weniger Kundschaft in den Läden hat. Die Empfehlung, anlässlich von Weihnachtseinkäufen nicht auch noch Freunde und Bekannte zu treffen, ist absolut nachvollziehbar und vernünftig.

Eigentlich wäre das Pandemie-Management bis zur Verfügbarkeit von Schnelltests und Impfungen nicht enorm kompliziert: Ansteckungsorte identifizieren, gezielt auf diese intervenieren, damit Übertragungsketten unterbrochen werden, sowie auf erzieherische und symbolische Massnahmen mit negativen gesundheitlichen und wirtschaftlichen Nebenwirkungen auf die Bevölkerung zu verzichten.

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Zur Autorin: Christa Markwalder (45) ist Nationalrätin der FDP für den Kanton Bern. Sie präsidiert die Swiss Retail Federation, den Verband der mittelständischen Detailhandelsunternehmen.

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