Claudio Zanetti

Claudio Zanetti (SVP): «Das süsse Gift des Ausnahmezustands»

Claudio Zanetti
Claudio Zanetti

Gossau,

Auf die Frage «Wer regiert die Schweiz?» liefert Google über 3 Millionen Treffer. Dabei könnte die Antwort einfacher nicht sein: «Die Verwaltung».

Claudio Zanetti SVP
Claudio Zanetti (SVP). - zVg

Das Wichtigste in Kürze

  • Claudio Zanetti stellt das Vorgehen der Schweizer Politik in der Corona-Krise in Frage.
  • Er kritisiert auch Bundesrat Berset, der versuche, sich aus der Verantwortung zu stehlen.

Die Verwaltung bestimmt über den Ausnahmezustand – selbst wenn im Nebenraum das Parlament tagt. Bundesräte begnügen sich leider immer mehr damit, sie nach aussen hin zu vertreten. Nun wollen sie sogar Entscheide auslagern.

Der bedeutende deutsche Staatsrechtler Carl Schmitt (1888-1985) brachte es in seinem berühmten Satz auf den Punkt: «Souverän ist, wer über den Ausnahmezustand entscheidet.» Man mag trefflich über die Souveränität der Kantone gemäss Bundesverfassung oder über das Verhältnis von Völkerrecht zu nationalem Recht streiten, am Ende zählt nur, wer die Autorität und die Macht hat, den Ausnahmezustand auszurufen, der das bisherige Regime verdrängt und ein neues an seine Stelle rückt.

Diese Fragen beschäftigten schon die auf ihre Republik stolzen Römer. Ihnen war klar, dass in Zeiten von Krieg und Gefahr rasch entschieden werden musste. Darum ernannte der Senat in solchen Situationen für die Zeit von sechs Monaten einen Diktator, den sie mit umfassenden Vollmachten ausstatteten, und der an Stelle der üblichen zwei Konsuln regierte.

Zumindest als man noch Sinn für die «Res publica» hatte, wäre es keinem Konsul je in den Sinn gekommen, von sich aus den Notstand auszurufen, wie es in der Schweiz der Bundesrat tat, während im Nebenraum die Bundesversammlung tagte.

Gewiss, ausserordentliche Situationen erfordern ausserordentliche Massnahmen. Aber wer entscheidet, wann eine Situation ausserordentlich ist? Widerspricht es nicht allen Regeln der aufgeklärten Staatstheorie, wenn derjenige, dem im Falle einer ausserordentlichen Lage ausserordentliche Kompetenzen zufallen, selber bestimmen darf, ab wann die Lage ausserordentlich ist? Ein Erbe, der den Tod des Erblassers herbeiführt, gilt schliesslich auch als erbunwürdig und verliert seinen Anspruch.

zanetti
Der Zürcher Alt-Nationalrat Claudio Zanetti. - Keystone

Immerhin wurden Grenzschliessungen angeordnet, was noch vor Kurzem als Ding der Unmöglichkeit galt, als es darum ging, die Schweiz vor illegaler Zuwanderung zu schützen. Es kommt also auf den politischen Willen an. Auf den politischen Willen derer, die über den Ausnahmezustand entscheiden. Das ist nicht gerade beruhigend.

Macht korrumpiert, totale Macht korrumpiert total

Am Vorabend des Zweiten Weltkriegs räumte das Schweizer Parlament der Regierung Notstandsrechte ein. Der Bundesrat durfte fortan eigenständig entscheiden, ohne Zügelung durch das Parlament – dies sollte ihn im Krieg handlungsfähiger machen. Doch rasch fand der Bundesrat Freude am autoritären Regieren.

Allerdings profitierte auch das Parlament von der Dringlichkeitsklausel. Dafür wurde das Volk als dritte Kraft in der Demokratie weitgehend ausgebremst. Es wurde der Möglichkeit beraubt, Gesetze mit dem demokratischen Korrektiv des Referendums abzulehnen.

Erst 1949 – also mehr als vier Jahre nach Kriegsende! – konnte das Stimmvolk den hohen Herren im Bundesrat seine Souveränität wieder abringen. Es brauchte dafür die von Waadtländer Freisinnigen und Liberalen lancierte Volksinitiative «Rückkehr zur direkten Demokratie», die mit einer knappen Mehrheit von 50,7% Ja angenommen wurde. Alle Regierungsparteien – auch SP und SVP! – empfahlen Ablehnung. Die Stimmbeteiligung betrug 42.52%.

Die Mehrheit der Stimmberechtigten stand dem Volksbegehren also gleichgültig bis ablehnend gegenüber. Schon damals empfanden offenbar viele staatliche Gängelung als kommod und Eigenverantwortung als Belastung. Die Loyalitätsbekundung sämtlicher Parteien an die Adresse des Bundesrats bei der Verkündigung des «Corona-Notstands» ist vor diesem Hintergrund durchaus kritisch zu würdigen.

Verantwortung ist unteilbar

Bundesrat Alain Berset wurde kürzlich gefragt, wann der Corona-Ausnahmezustand aufgehoben werde, oder die Beschränkungen, die der Wirtschaft arg zusetzen, zumindest gelockert werden.

Seine Antwort: «Das entscheidet auch die Wissenschaft.» – Dieser Satz kommt einer Kapitulation der Politik gleich. Hier versucht ein Magistrat, sich aus der Verantwortung zu stehlen, auch wenn er so tut, als würde er sie nur teilen. Genau wie ein Richter für seine Urteile verantwortlich ist, ist es ein Bundesrat. Sie mögen Berater und Gutachter beiziehen, soviel sie wollen, aber den Entscheid haben sie zu verantworten. Ganz allein.

Berset
Bundesrat Alain Berset desinfiziert sich bei der Pressekonferenz im Wallis die Hände. - keystone

Berset ist Sozialist. Darum kann er kein Glas Wasser einschenken, ohne damit eine politische Absicht zu verfolgen. So dient auch die Verklärung der Wissenschaft einem politischen Ziel: Damit soll Kritikern die Argumentationsgrundlage entzogen werden. Darum wird selbst der Sozialismus/Kommunismus «wissenschaftlich» begründet – allerdings unterliessen es seine Schöpfer, ihn zuerst an Ratten auszuprobieren.

Wissenschaft ist Streit

Auch bei dem was sie «Klima-Politik» nennen, berufen sich Linke und Grüne auf die «Wissenschaft». Sie behaupten sogar, was sie für richtig halten, werde von 97 Prozent der Wissenschaft geteilt. In demokratischer Ausmarchung wird also entschieden, wem man folgen soll, und wer nicht ernst genommen werden kann.

Wer nicht spurt, wir ausgegrenzt und der Lächerlichkeit preisgegeben. Ein Professor forderte sogar die Todesstrafe für jene, die den Klima-Katechismus verletzen. Zur Sicherheit wurde der Notstand ausgerufen. Das entbindet von der Beachtung geltenden Rechts.

«Corona» eröffnet neue Perspektiven für Klimahysteriker, die bereits ihre Felle davonschwimmen sahen. Berufsalarmist Prof. Dr. Reto Knutti vom «Center for Climate Systems Modeling (C2SM)» (sic.) der ETH roch den Braten zuerst und feierte auf Twitter den neuen Glauben an die Wissenschaft.

Er sieht «viele Parallelen zwischen Corona und Klima». Und als könnte jemand seine Autorität in Zweifel ziehen, beruft er sich auf Kapazitäten wie den Schauspieler George Clooney, der seine hellseherischen und opportunistischen Fähigkeiten auch schon als Politologe unter Beweis stellte, als er garantierte, Donald Trump werde niemals Präsident der USA sein. Knuttis Anforderungen ist damit Genüge getan.

Coronavirus
Daniel Koch während einer Pressekonferenz zum Coronavirus in Bern. - Keystone

Vor wenigen Tagen war im «Tages-Anzeiger» zu lesen «Unser Vorfahre ist 150’000 Jahre älter als gedacht». Wow! In einem der ältesten Wissenschaftsgebiete wird immer wieder Neues entdeckt, werden Theorien aufgestellt, geprüft und über den Haufen geworfen. So muss das sein! Wissenschaft ist Streit. Jede Erkenntnis ist immer nur eine vorläufige.

Wie oft wurde in den vergangenen Jahrzehnten nur schon die Geschichte der Pfahlbauer umgeschrieben? Nur in der blutjungen Klimawissenschaft treffen wir auf die arrogante Haltung «science is settled», die Frage sei für die «Wissenschaft» erledigt.

Nun könnte man glauben, die Medizin oder die Virologie seien vor solch «esoterischen» (lies: politischen) Einflüssen gefeit, hier sei alles klar. Dem ist keineswegs so. Nicht einmal in der Frage, ob Schutzmasken in einer Pandemie wirklich schützen herrscht Klarheit. 2007 warb der aktuelle Shooting-Star der Schweizer Medien, Daniel Koch vom BAG, dafür sich mit solchen Masken einzudecken.

Nun, wo klar ist, dass unser überteuerter Staatsapparat – in Verletzung seiner eigenen Pläne und Notfallszenarien! – diesbezüglich vollkommen versagte, heisst es plötzlich, die Wirksamkeit solcher Masken sei fraglich. Die «Wissenschaft» schützt offenbar sich und jene, die über ihr Budget verfügen. Wir sollten uns nicht von ihr abhängig machen.

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