Daniel Koch: SVP schürt die Angst vor «fremden Richtern»!
In seiner neuesten Nau.ch-Kolumne beleuchtet Daniel Koch die aktuelle Lage der Welt und spart dabei nicht mit klaren Worten.
Das Wichtigste in Kürze
- Daniel Koch schreibt auf Nau.ch regelmässig Kolumnen.
- Während der Pandemie war Koch der Öffentlichkeit als «Mister Corona» bekannt.
So kurz vor den Präsidentschaftswahlen in den USA beschäftigt mich die Lage unserer Welt immer mehr. Überall ist zu lesen, dass es seit dem Zweiten Weltkrieg nie mehr so viele Kriege gab. Noch nie waren so viele Menschen auf der Flucht und das durch Menschen verursachte Elend scheint grenzenlos zu sein.
Werte wie vor dem Ersten Weltkrieg
Gleichzeitig haben selbst in Europa politisch extreme Parteien Zulauf. Dabei werden Werte vertreten, wie sie vor dem Ersten Weltkrieg populär waren: Rassismus, Diskriminierung von Minderheiten und Frauen sowie Fremdenfeindlichkeit.
Links- wie rechtsextreme Propagandisten berufen sich immer wieder auf die Souveränität des Volkes und auf Mehrheiten regulärer oder irregulärer Wahlen.
Unabhängigkeit der Gerichte respektieren
Demokratie und Rechtsstaatlichkeit sind aber viel mehr als das Diktat der Mehrheit. Demokratie bedeutet auch, die Werte und absolute Gültigkeit von Grundrechten zu respektieren. Minderheiten und die Schwächsten werden in einem Rechtsstaat geschützt.
Rechtsstaatlichkeit bedeutet auch, dass man die Unabhängigkeit der Gerichte respektiert. Und nicht versucht, wenn ein Urteil nicht in die politische Meinung passt, gleich das Gericht abzuschaffen.
Selbstverständlich gibt es immer wieder Fehlurteile durch Gerichte. Aber es sind dieselben Gerichte, die in einem zweiten oder dritten Anlauf die Rechtsprechung korrigieren können.
Urteile werden nicht mehr akzeptiert
Wenn die Politik und Parteien sich in diese Prozesse einmischen, dann fängt der Rechtsstaat an zu wanken.
Dass die Unabhängigkeit und der Respekt vor den Gerichten nicht mehr eine Selbstverständlichkeit sind, zeigt selbst in der sehr demokratischen Schweiz unser Parlament.
Es ist zutiefst schockierend, aufgrund eines einzigen Urteils, das den Politikern nicht gefällt, vorzuschlagen, die Europäische Menschenrechtskonvention zu kündigen.
Angst vor sogenannten «fremden Richtern» immer und immer wieder zu betonen, ist im Grunde genommen nur eine Form, um Fremdenhass zu schüren.
Respekt vor Werten nicht verlieren
Die SVP ist keine rechtsextreme Partei so wie die AfD in Deutschland. Aber sie peitscht die Schweizer Politik unaufhörlich in eine fremdenfeindliche Richtung.
Ebenso wenig sind die Grünen oder die SP eine linksextreme Partei. Aber alle grossen Parteien müssen peinlichst darauf achten, dass ihre Promotoren an den extremen Flügeln den Respekt vor Werten der freien Demokratie und Rechtsstaatlichkeit nicht verlieren.
Die Erschaffung der UNO-Charta und die Unterzeichnung der allgemeinen Erklärung der Menschenrechte am 10. Dezember 1948 sind Errungenschaften der Menschheit, die man nicht einfach mit einer gewonnenen Wahl unter den Tisch wischen darf.
Schweizer Gefälligkeitspolitik
Es sind die Lehren aus dem Zweiten Weltkrieg. Hat die Welt die Schrecken des Zweiten Weltkrieges nach weniger als hundert Jahren schon vergessen?
Die Schweiz hat keine faschistische Vergangenheit so wie andere europäischen Länder. Aber die Schweiz hat sich durch die Zeit des Faschismus mit einer Gefälligkeitspolitik hindurchgeschlängelt, um zu überleben.
Neutralitätspolitik nicht mehr akzeptabel
Die Soldaten der Alliierten haben mit vielen Opfern Europa vom Faschismus befreit. Ohne diesen Sieg wäre wohl auch die Neutralität der Schweiz vom Faschismus beendet worden.
Eine Neutralitätspolitik wie während des Zweiten Weltkriegs ist heute nicht mehr akzeptabel. Die Schweiz ist von freundlich gesinnten Ländern umgeben, die versuchen, die feindliche Aggression aus Russland in Schach zu halten.
Sie unterstützen die Ukraine, die Tausende Soldaten für die Souveränität und Freiheit opfert.
Wer Putin unterstützt, macht sich mitschuldig
Alle, die heute direkt oder indirekt, bewusst oder unbewusst Putin unterstützen, machen sich mitschuldig an Kriegsverbrechen und einem versuchten Völkermord.
Zu welchen abscheulichen Genoziden das russische Imperium fähig ist, hat es bereits unter den Zaren und insbesondere unter Stalin bewiesen. Daran ändert sich auch nichts, dass der amerikanische Präsidentschaftskandidat Donald Trump das russische Engagement im Zweiten Weltkrieg lobt.
Stalin war genauso ein abscheuliches, machtbesessenes Monster wie der amtierende, gewählte Präsident des heutigen Russlands, der versucht, mit Gewalt eine neue Weltordnung zu schaffen, die von Diktatoren regiert wird.
Zum Autor: Daniel Koch war zwischen 2008 und 2020 Leiter der Abteilung Übertragbare Krankheiten beim Bundesamt für Gesundheit (BAG). Er ist der Öffentlichkeit als «Mister Corona» bekannt und schreibt nun regelmässig Kolumnen auf Nau.ch. Koch lebt im Kanton Bern und hat im letzten Jahr die Ukrainerin Natalia geheiratet.