Das Gift der Narzissten
Unser Kolumnist erkennt narzisstische Störungen bei aufgeblasenen Wichtigtuern auf Distanz. In erster Linie, weil er selbst darunter litt.
Das Wichtigste in Kürze
- Nau.ch-Kolumnist Reda El Arbi erklärt die linksgrünversiffte Welt.
- Reda El Arbi erlangte als Blogger und Journalist Bekanntheit.
- Bis 2011 war er Chefredaktor des Satiremagazins «Hauptstadt».
- Er lebt mit Frau und zwei Hunden in Stein am Rhein SH.
Früher nannten wir es Grössenwahn, wenn jemand sich für unfehlbar und unverzichtbar hielt. Heute haben wir den Fachbegriff «narzisstische Störung», die in vielen Stufen beschreibt, wenn jemand trotz empirischer Beweise für Versagen weiter von seiner eigenen Genialität und Unverzichtbarkeit überzeugt ist.
In der Schweiz haben wir aktuell gerade ein Beispiel, das wohl an Peinlichkeit nicht zu überbieten ist: Bundesanwalt Michael Lauber. Ich will hier gar nicht auf die Details eingehen, bei denen ein Bundesanwalt sich nicht mehr an Treffen mit Verdächtigen erinnert. Es geht schon lange nicht mehr darum.
Jede einigermassen anständige Führungsperson würde wohl seinen Posten räumen, wenn klar wird, dass die eigene Personalie dem Arbeitgeber oder der Gemeinschaft schadet. Ein Narzisst kann das nicht. Es würde bedeuten, Fehler zuzugeben, die eigene Position und das eigene Handeln zu hinterfragen. Und das geht ab einem gewissen Mass an Narzissmus nicht mehr, weil dann das Konstrukt der eigenen Persönlichkeit zusammenbricht.
Im gerade aktuellen Falle des Bundesanwalts Lauber führt das dazu, dass der Mann die Realität gar nicht mehr wahrnehmen kann, und nicht versteht, dass er der Bundesanwaltschaft, der Schweiz und dem Ansehen der Justiz schadet. Er lässt lieber alles den Bach runtergehen und begibt sich «auf die Matratzen», wie der Kriegszustand einmal im Film «Der Pate» genannt wurde. Man umgibt sich mit den übriggebliebenen Getreuen und leugnet die Realität.
Menschen wie Lauber ist es wichtiger, recht zu haben, als das Richtige zu tun. Wer dabei zu Schaden kommt, ist egal, Hauptsache das Selbstbild kann in irgendeiner Weise aufrechterhalten werden. Wir sehen solche Personen öfter, als wir uns vielleicht bewusst sind. Meist sind sie in meinem Alter, also um die 50, halten sich für genial, und stellen die eigenen Bedürfnisse wie selbstverständlich über die ihrer Mitmenschen.
Solange alles glatt läuft, strahlen sie Anziehungskraft und Stärke aus, was ihnen immer einen Kreis von loyalen Groupies und unkritischen Fans einbringt. Sobald es aber zu Problemen kommt, reicht ein übersteigertes Ego nicht mehr, um die Krise zu meistern.
Beispiele gibts genug. Das Grösste vielleicht: Donald Trump, dessen Amerika brennt und dessen Land gerade 100 000 Menschen an eine Seuche verloren hat, während er sich mit Twitter streitet, ob sie seine Aussagen faktenchecken dürfen. Oder hierzulande der Fall eines Chefarztes im Unispital, der nicht zugeben konnte, dass seine Operationen minderwertig waren. Oder der Chefredaktor eines Wochenmagazins, der vom brillanten Journalisten zum Verschwörungstheoretiker wurde, und inzwischen lieber Wissenschaft leugnet, als die eigene Position einmal kritisch zu hinterfragen.
Aber ich bin sicher, Sie kennen auch solche Leute in ihrem Umfeld.
Ich kenne auf jeden Fall solche Narzissten in meinem Umfeld. Ich muss ja nur in den Spiegel schauen, um einen zu erkennen. Ja, ich hab eine narzisstische Störung, aber Gott sei Dank eine reflektierte. Zum Glück hab ich die Phase des Versagens und der Selbstverleugnung bereits hinter mir. Ich habe damals lange am Bild meiner eigenen Grösse und Unfehlbarkeit festgehalten, obwohl schon mein ganzes Leben in Trümmern lag und mein Umfeld grossen Schaden nahm. Und ich hatte die Chance, meine narzisstischen Seite zu erkennen und zu reflektieren. Ich leide heute zwar immer noch unter einem gewissen Grössenwahn, aber ich kann ihn durchaus mit Humor und Selbstironie brechen.
Humor ist übrigens die einzige Waffe, um Narzissmus in Schach zu halten. Was Narzissten noch weniger ertragen, als Fehler zuzugeben, ist, ausgelacht zu werden. Das schmerzt wie Hölle und kann einen Narzissten wirklich stoppen. Glauben Sie mir, ich spreche aus Erfahrung. Erst wenn jemand wirklich über sich selbst lachen kann, ist der Narzissmus auf dem Wege der Besserung. Er verschwindet zwar nicht völlig, aber meist richtet er dann keinen Schaden mehr an, weil man immer wieder mal die Luft aus dem Ego entweichen lässt.
So, go on, machen Sie sich lustig über mich. Das spart mir Therapiekosten.
Zum Autor: Reda El Arbi ist 50-jährig, kommt aus Zürich und zog vor einigen Jahren nach Stein am Rhein. Grosse Bekanntheit erlangte er mit seinem Zürcher «Stadtblog» für den «Tagesanzeiger». El Arbi schreibt unverblümt, hat zu allem eine Meinung und polarisiert auch gern. Er ist verheiratet und lebt mit Frau und Hund in Stein am Rhein SH.