Der Regenbogen in der Ukraine verblasst

Tobias Simon Mäder
Tobias Simon Mäder

Bern,

Queere Menschen fliehen aus der Ukraine, sie verlieren buchstäblich ihr Zuhause, ihre Sicherheit und Hoffnung.

Ukraine Krieg
Tobias Simon Mäder (30) aus Zürich ist für Kampagnen und Politik bei Queeramnesty Schweiz zuständig. - zVg

Das Wichtigste in Kürze

  • LGBTI* sind im Krieg zusätzlicher Gewalt ausgesetzt.
  • Rechte und Freiheiten müssen neu erkämpft werden.
  • Ein Gastbeitrag von Tobias Simon Mäder (30) von Queeramnesty Schweiz.

Gestern habe ich mit einer guten Freundin, Olesia, aus der Ukraine geschrieben. Ihre Geschichte macht mich traurig, sprach- und auch hilflos. Ich war nie in einem Krieg. Für mich und meine Freund:innen hier in der Schweiz ist es unmöglich nachzuvollziehen, welcher Brutalität die Menschen in der Ukraine ausgesetzt sind.

Olesia und ich haben uns in den vergangenen Jahren permanent für die Menschenrechte und speziell die Rechte der queeren Community eingesetzt: Sie vor Ort in Kiew, ich mit der Menschenrechtsorganisation Queeramnesty in der Schweiz.

Ukraine Krieg
Rumänische LGBTQ+-Aktivisten protestieren gegen den Ukraine-Krieg. - Keystone

Ich bin selbst queer, und es macht mich wütend, dass im Konflikt einmal mehr besonders verletzliche Gruppen wie die LGBTI*-Community zusätzlicher Gewalt ausgesetzt sind. Sie haben keinen Zugang zu notwendiger Gesundheitsversorgung, mühselig erkämpfte rechtliche und gesellschaftliche Errungenschaften lösen sich in Luft auf.

Gewalt in der Armee

Vor einigen Tagen kursierte ein Bild von einem ukrainischen Soldaten in High-Heels in den Medien, ich habe mich darüber gefreut. Es war ein schönes Zeichen für eine offene Gesellschaft.

Dennoch müssen queere Menschen in der ukrainischen Armee unmittelbare Gewalt befürchten, sei es psychisch oder physisch. Trans*Frauen, die in ihren Ausweisdokumenten den Geschlechtseintrag nicht angepasst haben, sind gezwungen, Militärdienst zu leisten. Einige fanden händeringend Auswege, doch längst nicht alle.

Ukraine-Krieg
Die Zerstörung durch den Ukraine-Krieg ist in dem Land allgegenwärtig. - Keystone

Das Risiko, direkter transphober Gewalt ausgesetzt zu sein, könnte kaum höher sein als in einer militärischen Kriegssituation. Nicht nur im Kriegsgebiet, auch auf der Flucht und in Asylunterkünften ist das Risiko eines Übergriffs enorm, da Sammelunterkünfte ein sehr hohes Potenzial für sexuelle Gewalt bergen.

Die ohnehin prekäre medizinische Versorgung ist für Trans*Menschen umso dramatischer. Auf der Flucht, wie auch in Ländern, die aktuell Geflüchtete aufnehmen, ist der unterbruchfreie Zugang zu einer Hormontherapie häufig nicht gegeben.

Gesellschaftliche Errungenschaften

Geflüchtete Aktivisten sagten uns, für sie wird sich die Ukraine anhaltend und über den Krieg hinaus komplett in einen unsicheren Ort wandeln. Durch den von Russland ausgehenden Krieg verlieren sie nicht nur ihre Wohnung, sondern ihr Zuhause.

Der Kampf um Selbstbestimmung und nicht zuletzt Freiheit begleitet die Ukraine schon Jahrzehnte. Die orangene Revolution oder der Euromaidan waren für die Demokratie und den Kampf gegen Korruption wichtige Pfeiler. Sie waren auch Befreiungsschläge und von grosser Relevanz für die LGBTI*-Community.

Ukraine Krieg Grenze
Ukrainische Grenzsoldaten lassen keine Männer aus dem Land, trotzdem flüchten Hunderttausende ukrainische Männer mit gefälschten Dokumenten ins Ausland. (Archivbild) - DPA

Hart erkämpfte Errungenschaften lösen sich nun in Luft auf. Die gesellschaftliche Akzeptanz von LGBTI* hat sich in der Ukraine stetig verbessert. Trotz des sogenannten «Propagandaverbots» war es in der Ukraine, anders als in Russland, in mehreren Städten möglich, Pride-Demonstrationen abzuhalten. Ebenso fanden beispielsweise Gespräche statt, um die Gesundheitsversorgung von Trans*Menschen zu verbessern. Alle Aktivisten, mit denen wir Kontakt hatten, sehen nun all diese Errungenschaften zunichte gemacht.

Solidarisieren wir uns mit der ukrainischen Community, bieten wir sichere Unterkunftsmöglichkeiten, setzen wir klare Zeichen und spenden wir an die lokalen Organisationen in der Ukraine.

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