«Ehe für alle»-Gastbeitrag: Lassen wir auch Priester heiraten!
Die Freidenkenden Schweiz befürworten die «Ehe für alle». Mit einer Kampagne nehmen sie die katholische Kirche aufs Korn, von der der grösste Widerstand kommt.
Das Wichtigste in Kürze
- Simone Krüsi ist Leiterin Kommunikation der Freidenker-Vereinigung der Schweiz (FVS).
- Auf Nau.ch plädiert sie für einen zeitgemässen kirchlichen Umgang mit Homosexualität.
Zwei Priester, die nach der Trauung die Kirche verlassen. Vergnügt und glücklich wirken sie. Und glücklich sind sie wohl: Endlich dürfen sie zu ihrer Liebe stehen. Und endlich dürfen sie diese auch rechtlich beschliessen.
Was klingt wie ein Wunschtraum, ist immerhin in Form eines Bahnplakates der Freidenkenden Schweiz Realität geworden: Es fährt seit Ende August in 3000-facher Ausführung durchs Land und will Menschen dazu ermuntern, am 26. September JA zur «Ehe für alle» zu stimmen.
Natürlich dürften Priester aufgrund des Zölibats auch nach einem JA (noch) nicht heiraten. Doch für alle homosexuellen Personen in der Schweiz bedeutete die Annahme einen grossen Schritt in Richtung Gleichberechtigung und Akzeptanz.
Kein Zwangsouting mehr dank der «Ehe für alle»
So auch für Daniel. Er ist eines der Priestermodels auf dem Plakat. Mit Enio, dem zweiten Priestermodel, lebt er in einer Partnerschaft. Ein Ja bedeutete ihnen in erster Linie gesellschaftliche Anerkennung.
Und, was ihnen ebenfalls wichtig ist: Bei amtlichen Formularen müssten sie sich nicht mehr «zwangsouten», wenn der Zivilstand gefragt ist und die «eingetragene Partnerschaft» hinschreiben.
Priester sind die beiden nur auf dem Bild. Daniel hat der Kirche schon vor Jahren den Rücken gekehrt, weil er keinen Bezug mehr hatte. Und weil seine Situation als homosexueller Mann mit den Lehren der Bibel nicht vereinbaren konnte.
Er erzählt: «Als junger Mann war ich eine Zeit lang auch von einer Freikirche beeinflusst worden. Es dauerte lange, bis ich zu meiner Sexualität als schwuler Mann stehen konnte.»
Umgang mit Homosexualität ist nicht mehr zeitgemäss
An die (Frei-)Kirchen richtet sich denn auch die Botschaft der Kampagne für die «Ehe für alle»: Menschen, die Personen des gleichen Geschlechts lieben, kommen überall in der Gesellschaft vor – auch in kirchlichen Kreisen. Es ist höchste Zeit, dass diese ebenfalls so entspannt damit umgehen wie das Priesterpaar. Weder der Umgang der katholischen Kirche mit der Homosexualität noch ihre Exklusivitätsansprüche in Bezug auf die Ehe sind zeitgemäss.
Doch, so wird das Referendumskomitee nicht müde zu betonen, gehe es ihm gar nicht um die Ablehnung von Homosexualität. Die «Ehe für alle»-Gegner würden die Vorlage vielmehr wegen des «Kindswohls» bekämpfen: Der Zugang zu den Samenbanken für Frauenpaare und die Möglichkeit zur Adoption sind den Vetreter:innen ein Dorn im Auge. Sie sind der Ansicht, ein Kind brauche Vorbilder – und zwar zwingend männliche und weibliche.
«Ehe für alle»: Regenbogenkinder haben mehr Resilienz
Verschiedene (Langzeit-)Studien kommen indes zu einem anderen Schluss: Regenbogenkinder seien oft gar resilienter als Kinder von heterosexuellen Paaren. Sie seien toleranter und verfügten über ein höheres Selbstwertgefühl. Wichtig hierfür ist in erster Linie ein liebesvolles Umfeld und respektvolle Unterstützung beim Erwachsenwerden.
Und klar braucht es Personen, die uns das Leben in all seinen Facetten vorleben. Klar braucht es Eltern, die sich so verhalten, dass sie ihren Kindern Vorbilder sind. In ihren Stärken, in ihrem Umgang mit Schwächen, in ihrer ganzen Authentizität.
Doch wer unbedingt auf die sogenannte «Geschlechterdiversität» Rücksicht nehmen möchte, der findet Vorbilder ganz bestimmt auch ausserhalb der Kernfamilie: in Onkeln und Tanten, in Göttis und Gotten, in Lehrer:innen – und wer weiss, vielleicht ja sogar in weltoffenen Pfarrer:innen.
Zur Autorin: Simone Krüsi ist Leiterin Kommunikation bei den Freidenkenden Schweiz. Sie studierte Germanistik, Ethnologie und Balkanwissenschaften an den Universitäten Freiburg i. Üe., Zürich und Wien.
Als freischaffende Journalistin verfasst sie Reportagen aus Ex-Jugoslawien und aus der Schweiz, vorwiegend zu Themen wie zivilgesellschaftlichem Engagement und Migration.