Fehr, das Ego und die lieben Kollegen
Unser Kolumnist staunt über die Nonchalance, mit der Jacqueline Fehr das Kollegialitätsprinzip, eine der Stützen der Konsensdemokratie, über Bord wirft.
Das Wichtigste in Kürze
- Nau.ch-Kolumnist Reda El Arbi erklärt die linksgrünversiffte Welt.
- Reda El Arbi erlangte als Blogger und Journalist Bekanntheit.
- Bis 2011 war er Chefredaktor des Satiremagazins «Hauptstadt».
- Er lebt mit Frau und zwei Hunden in Stein am Rhein SH.
Ich hab mich über Fehr aufgeregt. Nein, nicht wie sonst über Mario, diesmal über Jacqueline. Nicht, weil sie entgegen aller Evidenz eine andere Meinung hat als die Fachleute der BAG-Taskforce, der Gesundheitsdirektion oder der WHO. Eine Meinung haben, auch entgegen aller Fakten und Evidenz, ist ein Grundrecht in der Schweiz.
Ich hab mich über Fehr aufgeregt, weil sie ihren KollegInnen aus der Regierung in den Rücken gefallen ist. Das Kollegialitätsprinzip in der Exekutive ist einer der Mechanismen, die unsere Form der Konsensdemokratie überhaupt erst ermöglichen. Die Verletzung des Kollegialitätsprinzips ist in der Schweiz keine kleine Sache. Als Christoph Blocher es gemacht hat, hat ihn das seinen Bundesratssitz gekostet.
In der Exekutive regieren nicht einzelne, es regiert ein Gremium aus verschiedenen Parteien. Dieses spricht sich ab, stimmt ab, und steht dann geschlossen hinter der Entscheidung. So können sich Personen oder Parteien nicht als Opposition profilieren, bei Entscheiden, die sie gemeinsam treffen. Mal gewinnt man, mal verliert man, aber man trägt in der Öffentlichkeit die Entscheide des Gremiums mit.
Wenn man aus dem Parlament in die Exekutive wechselt, muss man als Mensch die persönliche Reife besitzen, das eigene Ego hinter den Dienst an der Bevölkerung zu stellen. Man stellt das Amt, die Prinzipien, über die eigene Person.
Fehr schrieb in ihrem Blog, nachdem sie sich auf Twitter nochmals indirekt gegen die Masken ausgesprochen hatte, sie wünsche sich «Zwischentöne» und «Diskurs». Hm, Fehr hatte die Maske vorher schon mit dem Niqab ( Burka) verglichen, und damit die Argumentation von rechtsextremen Maskengegnern übernommen. Schafft man so Diskurs und Zwischentöne?
Mitnichten. In erster Linie gehts ums Ego. Sie konnte sich im Regierungsrat mit ihrer schon früher laut kommunizierten Meinung nicht durchsetzen, hat das nicht verkraftet und musste dann ein Zeichen setzen. Eine beleidigte Leberwurst. Hat das zu mehr Zwischentönen geführt? Eher nicht. Fehr hat jetzt aber viel mehr Fans bei den Leuten, die die Schweiz als Diktatur sehen, die Maske als «Sklavenzeichen» und die gemeinsam mit Nazis und Faschisten demonstrieren. Da wird sie als Figur des Widerstandes gefeiert.
Und gibts mehr Diskurs? Wenn man mal davon absieht, dass die Maskengegner hysterisch «Unterdrückung» schreien und eigentlich keine faktenbasierten Argumente haben, findet dieser Diskurs auch ganz gut ohne Regierungsrätin Fehr nonstopp in allen Medien statt. Das ist kein Grund, den Kollegen in der Rücken zu fallen.
Selbst früher polemische PolitikerInnen wie Natalie Rickli habens geschafft, ihr Amt höher zu gewichten als ihr verletztes Ego oder ihre persönliche Meinung. Dass das Fehr nicht schafft, macht sie eigentlich unfit fürs Amt.
Für Fehr hat sich der Bruch des Kollegialitätsprinzips gelohnt: Heute ist ein Portrait über sie in der NZZ am Sonntag und ein Interview in der Sonntagszeitung. Sie ist also wirklich mehr Politikerin als Dienerin an der Bevölkerung.
Klapp. Klapp. Klapp.
Und zum Schluss noch zu ihren Argumenten:
Sie meint, man müsse bei den Masken auf «Eigenverantwortung» setzen.
Zuerst einmal: Bei «Freiwilligkeit» sind niemals diejenigen das Problem, die etwas freiwillig tun. Es sind alle anderen. Wie das funktioniert, sieht man zurzeit in den Zürcher Läden. Vor der Maskenpflicht: kaum jemand mit Maske. Jetzt, ohne gross zu jammern, alle mit Maske. Die paar Querulanten, die gegen die Maskenpflicht anschreien, sind zwar laut, aber sie sind eine winzige Minderheit.
Zweitens: Es geht nicht um «Eigenverantwortung», sondern um Verantwortung gegenüber der Gemeinschaft. Die Masken sollen nicht in erster Linie den Träger schützen. Das denken nur Egoisten. Die Maske soll die anderen schützen. Und da ist eben Ende Fahnenstange. Die Freiheit des Individuums geht nur so weit, bis sie die Freiheit, die Gesundheit oder die Sicherheit der anderen verletzt.
Apropos Freiheit und Sicherheit:
Leute, die gerade behaupten, sie würden "Freiheit höher schätzen als Sicherheit", meinen dann immer die eigene Freiheit - und die Sicherheit der anderen. Wenns dann um die eigene Sicherheit - und um die Freiheit der anderen - geht, nässen sie sich ein.
Also, sei nicht wie Fehr. Stelle nicht dein Ego über die Gesundheit der anderen.
Zum Autor: Reda El Arbi ist 50-jährig, kommt aus Zürich und zog vor einigen Jahren nach Stein am Rhein. Grosse Bekanntheit erlangte er mit seinem Zürcher «Stadtblog» für den «Tagesanzeiger». El Arbi schreibt unverblümt, hat zu allem eine Meinung und polarisiert auch gern. Er ist verheiratet und lebt mit Frau und Hund in Stein am Rhein SH.