Groupe Mutuel: Ende der freien Arztwahl verteuert Prämien
Thomas J. Grichting, Direktor der Groupe Mutuel, kritisiert im Gast-Kommentar den Vorschlag zu Sparmassnahmen. Die Massnahmen würden das Gegenteil bewirken.
Das Wichtigste in Kürze
- Der Bundesrat präsentierte vor kurzem ein zweites KK-Sparmassnahmen Paket.
- Damit die Prämien nicht weiter steigen, muss im Gesundheitswesen gespart werden.
- Der Direktor der Groupe Mutuel bekämpft das Ende der freien Arztwahl.
Damit die Prämien der Krankenversicherungen nicht weiter steigen, muss im Gesundheitswesen gespart werden.
Doch die vom Bundesrat vorgeschlagenen Sparmassnahmen bewirken teilweise das Gegenteil: Weniger Rabattmöglichkeiten in der Grundversicherung und der Zwang zur Erstberatung könnten gar zu höheren Prämien führen.
Die Prämien der Krankenversicherung stehen im Sorgenbarometer von Herrn und Frau Schweizer seit Jahren ganz oben. Unbestrittener Massen besteht Handlungsbedarf.
Ende der freien Arztwahl
Der Bundesrat präsentierte deshalb jüngst ein zweites Paket mit Sparmassnahmen. Doch diese zielen vor allem auf die staatliche Steuerung des Gesundheitswesens.
So soll künftig jede Person bei gesundheitlichen Problemen zuerst einen vom Kanton anerkannten «Vertrauensarzt», eine sogenannte Erstberatungsstelle, aufsuchen. Dies bedeutet das Ende der freien Arztwahl.
Denn Krankenversicherungen dürften nur noch Behandlungen einer Erstberatungsstelle vergüten oder Leistungen beim Spezialisten, die von einer solchen verordnet wurden.
Der bundesrätliche Arztzwang ist nicht nur aus liberaler Sicht fragwürdig, sondern könnte gar zu mehr Kosten und damit auch zu höheren Prämien führen.
Höhere Prämien statt Innovation
Wer heute bereit ist, seine Arztwahl einzuschränken, dem gewähren viele Krankenversicherer Prämien-Rabatte. Sieben von zehn Versicherten im Land haben im Jahr 2018 ein solches Angebot gewählt – meistens aus Kostengründen. Damit soll nun Schluss sein.
Diese Versicherten müssten mit höheren Prämien rechnen. Denn der obligatorische Gang zum staatlich anerkannten Hausarzt für alle verhindert alternative Angebote mit Preiserlassen.
Der vorgesehene Arztzwang erstickt zudem alle Innovationsbemühungen der Krankenversicherer, innovative und kostensparendere Versicherungsmodelle zu entwickeln, wie zum Beispiel digitale Apps oder die Erstberatung durch einen Apotheker.
Keine Hausärzte mehr für Kranke?
Ein weiteres Problem: Die Erstberatungsstelle macht denjenigen Arzt erfolgreich, der am wenigsten kranke Patienten hat. Denn die Ärzte sollen für die Erstberatung nicht mehr nach Aufwand und Leistungen vergüten werden.
Vielmehr sollen sie einen fixen Geldbetrag, eine Pauschale pro Patient und Jahr, erhalten. Dies unabhängig davon, ob sie den Patienten je gesehen haben.
Dieser staatliche Arztzwang führt deshalb nicht zu Kostensenkungen, sondern schafft Fehlanreize. Ein Arzt dürfte sich künftig zweimal überlegen, einen kranken oder alten Menschen in seine Patientenkartei aufzunehmen.
Dies muss auf jeden Fall verhindert werden.
Wahlfreiheit statt staatlicher Zwang
Die Schweizer Krankenversicherer tun alles, um mit möglichst tiefen Prämien für ihre Kunden attraktiv zu bleiben und bringen innovative Versicherungsmodelle auf den Markt.
Die Versicherten erhalten so eine Auswahl und können das für sie interessanteste Angebot auswählen.
Dass mit den heutigen alternativen Versicherungsmodellen Kosteneinsparungen erzielt werden, anerkennt auch der Bundesrat. Anstelle mit staatlicher Gleichschaltung teure Kollateralschäden in Kauf zu nehmen, sollte er deshalb das heutige System fördern.
Die vorgeschlagenen Sparmassnahmen werden in der Bevölkerung kaum Zustimmung finden. Der Bundesrat täte gut daran, die Verabschiedung einer solchen Vorlage nochmals zu überdenken.
* Der Autor Dr. Thomas J. Grichting ist Direktor und Generalsekretär der Groupe Mutuel.