Holländer machen es Migros und Coop in den Supermärkten vor!
Nau.ch-Kolumnistin Mirjam Walser stellt fest, dass Supermärkte im Ausland ihr Sortiment zunehmend auf vegane Produkte ausrichten. Ein Vorbild für die Schweiz?
Das Wichtigste in Kürze
- Detailhändler wie Migros und Coop wollen klimafreundlicher werden.
- Kolumnistin Mirjam Walser sieht einen grossen Widerspruch zwischen Worten und Taten.
- Beispiele von Supermärkten aus den Niederlanden zeigen, wie es auch anders geht.
- Mirjam Walser schreibt auf Nau.ch regelmässig zum Thema Veganismus.
Die letzten warmen Tage stehen bevor, und die letzten Grillabende mit Freunden werden geplant. Es ist Zeit, Steak, Cervelat und Pouletbrust einzukaufen – oder sollte man nicht doch zum Saisonabschluss den veganen Grillkäse oder die pflanzliche Nationalwurst ausprobieren?
Im Supermarkt angekommen, springen einem grosse Aktionsschilder ins Auge: Bratwurst – zwei zum Preis von einer, Grillspiessli mit 50 Prozent Rabatt. Ein echtes Schnäppchen! Das teurere Grillspiessli aus Erbsenprotein für fast sieben Franken kann warten. Weniger Fleisch essen fürs Klima? Vielleicht beim nächsten Mal.
Aber Moment mal – Aktionen für Fleisch, eines der klimaschädlichsten Lebensmittel? Haben nicht gerade Migros und Coop in ihren Klimazielen lautstark verkündet, sie wollten klimafreundlicher werden – mit «Taten statt Worten» oder für die «Generation M»?
Viel Gerede für nichts
In ihren Nachhaltigkeitsstrategien bekennen sich die Schweizer Detailhändler dazu, ihr Unternehmen klimafreundlicher zu gestalten. Coop beispielsweise sagt: «Wir verfolgen eine Klimastrategie für die gesamte Coop-Gruppe mit der Vision Netto-Null 2050» Auch die Migros-Gruppe plant, bis 2050 keine Treibhausgase mehr zu verursachen.
Für Umweltorganisationen wie Greenpeace ist klar, dass dies nur möglich ist, wenn der Anteil an Tierprodukten im Sortiment drastisch reduziert wird. Denn Fleisch, Fisch, Eier und Milchprodukte machen bei Coop etwa 47 Prozent der Gesamtemissionen aus. Greenpeace schätzt, dass es auch bei der Migros-Gruppe etwa 31 bis 43 Prozent sind.
Anstatt jedoch das Angebot an Tierprodukten zu reduzieren und stattdessen die veganen Optionen hervorzuheben, machen die Detailhändler genau das Gegenteil: Sie bewerben Fleischprodukte intensiv.
Greenwashing par excellence: Klimafreundliches Marketing für das Image, aber letztlich wird das verkauft, was am meisten Gewinn bringt – und das ist besonders in der Grillsaison Fleisch, Fleisch und nochmals Fleisch.
Die Konsumenten sind schuld – oder nicht?
Das zeigt sich besonders deutlich in der jüngsten Analyse des WWF. Der «Grillcheck» des WWF belegt, dass Fleisch in der Grillsaison dominierend beworben wurde, oft mit massiven Rabatten. 80 Prozent der reduzierten Produkte im Detailhandel waren Fleischprodukte. Diese wurden mit Aktionen angepriesen, als seien sie «Ramschware», wie der WWF schreibt.
Alternativen wie vegane Wurst oder pflanzlicher Grillkäse erhielten dagegen deutlich geringere Rabatte und machten nur sechs Prozent der beworbenen Artikel aus.
Die Reaktion der Detailhändler? Sie schieben die Verantwortung auf die Konsumenten und argumentieren, sie reagierten lediglich auf Kundenbedürfnisse. Unnötig zu erwähnen, dass diese Bedürfnisse gezielt mit Aktionen und Werbung angeheizt werden.
An der Reduktion der Tierprodukte führt kein Weg vorbei
Greenpeace hat errechnet, dass die Detailhändler ihre Emissionen bereits um ein Fünftel senken könnten, wenn die Bevölkerung deutlich weniger Fleisch konsumieren würde. Noch grösser wäre das Potenzial bei einer weitgehend veganen Ernährung.
Der grösste Hebel, den der Detailhandel also hätte, um seine Klimaziele zu erreichen, wäre es, mehr pflanzliche Lebensmittel ins Sortiment aufzunehmen und diese stärker zu bewerben. Zwei Dosen Kichererbsen zum Preis von einer, Sojageschnetzeltes 40 Prozent günstiger und vegane Bolognesesauce zum Probierpreis – so kompliziert ist es eigentlich nicht.
Greenpeace betont, dass kein Weg an einer Reduktion des Tierprodukt-Sortiments vorbeiführt, wenn Migros und Coop ihre Klimaziele ernst nehmen. Doch konkrete Massnahmen fehlen in den Strategien der Schweizer Detailhändler. Einzig Konkurrent Lidl zeigt einen klaren Weg auf und kündigt an, bis 2030 ein Fünftel der Proteinquellen pflanzlich zu gestalten.
Ausländische Supermärkte stellen Sortiment um
Dass es noch konsequenter geht, zeigt ein Blick ins Ausland. Der zweitgrösste Detailhändler der Niederlande, Jumbo, hat im Mai angekündigt, keine Werbung mehr für Fleischaktionen zu machen. Bis 2030 sollen sogar 60 Prozent der Proteine im Sortiment pflanzlich sein.
Auch die Supermarktkette Albert Heijn plant eine drastische Umstellung zugunsten veganer Produkte innerhalb der nächsten sechs Jahre.
Konkret bedeutet das, dass mehr vegane und proteinreiche Alternativprodukte zu Fleisch- und Milchprodukten ins Sortiment aufgenommen werden. Zum pflanzlichen Proteinsortiment gehören aber auch Hülsenfrüchte wie Kichererbsen, Linsen oder Bohnen.
Um eine Klimakatastrophe zu verhindern, reichen kleine Bibeli-Schritte nicht mehr aus. Mit gelegentlich weniger Steak und ab und zu einem Linsenburger werden wir die Klimakrise nicht bewältigen.
Die Devise lautet: Lasst die Bibeli leben und packt stattdessen Tofuwürfeli aufs Spiessli. Klingt langweilig? Mit der richtigen Marinade wird auch Tofu richtig fein – und das, liebe Detailhändler, ist eine Marktlücke, die kräftig beworben werden darf.
Zur Person: Mirjam Walser (38) schreibt auf Nau.ch regelmässig zum Thema Veganismus. Als Gründerin der Vegan Business School ist sie Expertin für veganes Unternehmertum und vegane Innovationen.