Lena Allenspach (SP): Geiz war schon vor Corona nicht geil
Es dürfe nicht sein, dass die Krise vom Kleingewerbe und den Arbeitnehmenden bezahlt wird, findet SP-Politikerin Lena Allenspach. Ein Gastbeitrag.
Das Wichtigste in Kürze
- Lena Allenspach ist Politologin, Gewerkschafterin und SP-Politikerin.
- Sie kandidiert am 29. November 2020 für den Berner Stadtrat.
1 Franken 60 Rappen. So wenig hat eine Buchhändlerin mit eigener Buchhandlung während des Lockdowns im Frühjahr pro Tag als Unterstützung vom Bund erhalten.
Die Hilfsmassnahmen für die indirekt Betroffenen der Coronavirus-Krise kamen spät und ohne Mindestsatz.
Was im Militär eine Selbstverständlichkeit ist, wurde bei der Unterstützung Tausender Selbstständiger und Freischaffender nicht berücksichtigt.
Die Folge: Wer vorher wenig hatte, hat jetzt noch weniger. Um die Fixkosten zu begleichen oder den Lebensunterhalt zu bestreiten, war es zu wenig. Und heute, mit einem Slow- statt einem Lockdown, stehen wir vor einer noch heftigeren Krise für die Arbeitswelt. Kein Umsatz trotz Arbeit.
Die Unterstützungsmassnahmen müssen daher jetzt hoch- und nicht runtergefahren werden. Denn es darf nicht sein, dass die Krise vom Kleingewerbe und den Arbeitnehmenden bezahlt wird.
Sichere Zukunft für alle – bedingungslos
Eines hat diese Krise schon ganz klar aufgezeigt: Wir brauchen eine besser soziale Absicherung von allen Erwerbstätigen. Selbständigerwerbende und Freischaffende wie auch Kulturschaffende sind durch die Sozialversicherungen in der Schweiz kaum abgesichert.
Kleine und mittlere Betriebe haben nur spärlich Reserven anlegen können. Systemrelevante Berufe werden immer noch zu tief entlöhnt. Care-Arbeit ist nach wie vor unbezahlt.
Daraus müssen wir Lehren ziehen. Sei es mit höheren Löhnen, einer Reduktion der wöchentlichen Arbeitszeit oder dem Ausbau der Sozialversicherungen.
Eine Ausdehnung der Ladenöffnungszeiten und die weitere Flexibilisierung des Arbeitsgesetzes – wie es manche bürgerliche Politikerinnen und Politiker verlangen – spitzen die prekäre Lage für Betroffene nur weiter zu.
Dies ausgerechnet in jenen Branchen, bei welchen die Anstellungsbedingungen ohnehin unter grossem Druck stehen.
Soziale Absicherung statt Boni-Auszahlungen
Die Menschen bleiben jetzt wieder zu Hause. Das ist richtig so, denn die epidemiologische Lage ist ernst.
Die Auswirkungen der Massnahmen des Gesundheitsschutzes auf Wirtschaft und Arbeitnehmende sind es jedoch ebenso.
Damit berufliche Existenzen nicht zerbrechen und Tausende auf Sozialhilfe angewiesen sind, braucht es umfassende Begleitmassnahmen. Hier sind in erster Linie Bund, Kantone und Gemeinden gefragt. Zum Beispiel müssen temporär Beschäftigte wieder Kurzarbeit beziehen können, Betreibungen und Vollzüge müssen ausgesetzt werden und es braucht einen Teilerlass der Geschäftsmieten.
Selbstständige und Freischaffende brauchen Erwerbsersatz mit einem Mindestsatz analog dem Militärdienst. Es ist jetzt aber auch an den Unternehmen, ihre soziale Verantwortung wahrzunehmen – gegenüber den Mitarbeitenden und der ganzen Gesellschaft.
Auszahlungen von Boni wie bei der Swiss sind nicht tragbar und stehen einer Arbeitswelt mit sozialer Verantwortung diametral entgegen.
Denn für einen solidarischen Ausweg aus der Krise bedarf es der Solidarität aller. Und nicht nur jener der 99 Prozent.