«Liebe Schwester...»: Gastbeitrag zum Basler Vergewaltigungs-Urteil
Das Wichtigste in Kürze
- Die Begründung nach einer Strafverminderung für einen Vergewaltiger sorgte für Kritik.
- Rund 500 Menschen demonstrierten vergangene Woche vor dem Basler Gerichtsgebäude.
- In diesem Gastbeitrag wendet sich Organisatorin Nihal Madad (26) direkt an das Opfer.
Liebe Schwester
Ich nenne dich Schwester, weil ich weder deinen Namen noch dein Gesicht kenne. Aber ich will, dass du weisst, wir sind heute alle hier, um dir den Rücken zu stärken. Denn du könntest jede einzelne von uns sein. Du könntest meine Schwester, meine Mutter oder meine beste Freundin sein. Du könntest ich sein oder eine der vielen welche mir Ihre Geschichten erzählt haben.
Als ich das Gerichtsurteil sah, drehte sich mir der Magen um, als ich gelesen habe, was dir angetan wurde, weinte ich. Du musstest zweimal unfassbares Unrecht erleiden. Du hattest den Mut dich zu wehren und eine Anzeige zu erstatten, allein dieser Schritt zeigt, dass du stärker bist als die meisten von uns.
Du hattest den Glauben, dass dir Recht widerfahren würde, und es tut mir so unendlich leid, dass das zweite Unrecht, durch eben diejenigen welche dir Gerechtigkeit verschaffen sollten, verübt wurde.
Du bist nicht mitschuldig, nicht zu einem Prozent und dass du nun weiterkämpfen wirst, gibt jedem der Opfer von sexueller Gewalt Hoffnung.
Bei einer Vergewaltigung gibt es immer nur eine schuldige Partei- den Menschen, welcher vergewaltigt. Wenn du das Urteil vor das Bundesgericht weiterziehst, denk immer daran, dass all diese Menschen, welche heute hier sind hinter dir stehen.