Marko Kovic: «Falsche Strategie führt bei SRF zu Chaos!»
«Mit der jüngsten Sparrunde sägt das SRF an der eigenen Existenzberechtigung», schreibt Marko Kovic in seiner Kolumne. Und liefert die Hintergründe.
![SRF rundfunkabgabe](https://c.nau.ch/i/glPdnKV09X5keyA3bYKQRdO7qoML46BRJrpDQO1m/900/srf-rundfunkabgabe.jpg)
Das Wichtigste in Kürze
- Über dem SRF hängt das Damoklesschwert der «Halbierungsinitiative».
- Diesen GAU möchte das SRF-Management verhindern.
- Das Management von SRF setzt dabei auf die falsche Strategie – und erreicht das Gegenteil.
- Eine Kolumne von Marko Kovic.
Das Schweizer Radio und Fernsehen SRF hat angekündigt, dass eine Reihe von Sendungen gestrichen wird: Das People-Format «Gesichter & Geschichten» segnet das Zeitliche, und auch den Radio-Sendungen «Wissenschaftsmagazin», «Kontext» und «Trend» wird der Stecker gezogen.
Der Grund für den publizistischen Abbau: SRF muss den Gürtel enger schnallen. Es ist zu wenig Geld da. Ein bisschen sparen, ein paar Änderungen im Programm – alles halb so wild, oder? Nicht ganz.
![Marko Kovic](https://c.nau.ch/i/50N8yw/900/marko-kovic.jpg)
Rauer politischer Wind
Die Sparübung findet nicht im luftleeren Raum statt. SRF weht seit Jahren ein rauer politischer Wind entgegen.
Die jüngsten Ankündigungen des SRF-Managements sind ein Versuch, die SRF-Gegner zu besänftigen. Doch diese Appeasement-Strategie wird das Ende von SRF nicht verhindern, sondern im Gegenteil beschleunigen.
Der Sinn öffentlicher Medien
Die Schweiz hat, wie die meisten demokratischen Länder, öffentlich finanzierte journalistische Medien.
Ihre Aufgabe ist es, ohne kommerziellen Druck und ohne politische Einflussnahme unabhängigen Journalismus zu machen. Das stärkt zwar die Demokratie. Es ist aber auch sehr nervig, weil wir alle dafür zahlen müssen.
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Deshalb müssen wir für die Sendungen von SRF zahlen
Der Grund, warum wir alle dafür zahlen müssen: Öffentliche Medien haben einen «Service Public»-Auftrag. Sie liefern, was private Medienunternehmen nicht liefern können, weil es zu viel kostet.
Setzen SRF und Co. diesen Auftrag immer gut um? Natürlich nicht.
Ich selber kritisiere SRF regelmässig. Zum Beispiel habe ich vor rund zehn Jahren ein klein wenig dazu beigetragen, dass SRF Astrologie-Bullshit aus dem Programm genommen hat.
Journalistische Qualität ist das Kriterium
Mit der jüngsten Sparrunde sägt SRF aber an der eigenen Existenzberechtigung.
Man streiche die Sendungen, so die Begründung, weil zu wenig Leute sie schauen und hören. Das macht keinen Sinn.
Erstens hat beispielsweise «Gesichter & Geschichten» ein sehr grosses Publikum. Zweitens und wichtiger: SRF soll eben gerade nicht Inhalte liefern, die an Quoten gebunden sind, sondern Inhalte, die journalistische Qualität bieten.
Nach der Streichung von «Trend» wird SRF gar kein Wirtschaftsformat mehr haben. Mit dem Ende des «Wissenschaftsmagazins» rückt der Tod des ohnehin kränkelnden Wissenschaftsjournalismus ein gutes Stück näher.
Maulkorb für die Motzkis bei SRF
Und mit «Kontext» verschwindet ein Format, das auf vertiefte Recherche jenseits der täglichen Schlagzeilen setzt. Wenn solche Formate nicht der Sinn öffentlicher Medien sind, was dann?
Mehrere SRF-Journalisten haben sich kritisch zur Abbau-Strategie des SRF-Managements geäussert. Das Management intervenierte und zwang die Journalisten, ihre Posts auf Social Media wieder zu löschen. Wem die Zukunft des Journalismus bei SRF am Herzen liegt, kriegt einen Maulkorb.
Warum bekämpft die Beletage von SRF den Journalismus von SRF?
Vorauseilender Gehorsam
In vielen Ländern, so auch in der Schweiz, wollen mächtige Akteure öffentliche Medien abschaffen. Ein Grund dafür ist Geld.
Wenn es keine öffentlichen Medien gibt, nutzen mehr Menschen private Medien, was diesen entsprechend mehr Einnahmen über Abos und Werbung einbringt.
Der zweite Grund, warum es einen Kampf gegen öffentliche Medien gibt, ist ideologischer Natur. Öffentliche Medien sind unabhängig. Sie können nicht so einfach beeinflusst, erpresst oder aufgekauft werden.
SRF kann Blocher nicht kaufen
Der Oligarch Christoph Blocher konnte Dutzende Lokalzeitungen in der Schweiz kaufen, in denen er nun seine Propaganda ungefiltert streuen kann.
![blocher](https://c.nau.ch/i/ykVkg/900/blocher.jpg)
SRF aber können er und seinesgleichen nicht kaufen. Darum wollen sie es abschaffen.
Damoklesschwert der «Halbierungsinitiative»
Über SRF hängt momentan das Damoklesschwert der «Halbierungsinitiative»: einer Volksinitiative, die das Budget aller SRG-Medien auf einen Schlag halbieren würde.
Diesen GAU möchte das SRF-Management verhindern. Die Strategie ist offenbar, proaktiv Journalismus abzubauen, um damit politischen Goodwill zu schaffen.
Wenn man selbst umfassend genug zusammenstreicht, kann man im Abstimmungskampf argumentieren, dass man ja schon am Abspecken sei und die Halbierungsinitiative gar nicht nötig ist. Lieber den kleinen Finger verlieren als die ganze Hand.
Die falsche Strategie
Diese Appeasement-Strategie wird grandios scheitern. Es wird nämlich umgekehrt kommen: Man gibt den SRF-Gegnern den kleinen Finger, aber genau deswegen wird es für sie einfacher, die ganze Hand zu nehmen.
![SRF Wappler](https://c.nau.ch/i/Wwr251/900/srf-wappler.jpg)
Wenn SRF ausgerechnet jenen Journalismus abschafft, der den Kern des Service Public ausmacht – Formate wie «Wissenschaftsmagazin», «Trend» und «Kontext» –, dann werden SRF-Gegner durchaus zurecht sagen: Die Welt ist nicht untergegangen, warum nicht noch mehr, warum nicht alles abschaffen?
Selbstbewusst zur Kernkompetenz stehen
Wenn SRF gemäss eigener Erklärung auf Inhalte fokussieren will, die in Richtung kurze Häppchen gehen, wie sie auch Private liefern können, wozu benötigen wir dann noch ein SRF?
Öffentliche Medien können die aktuelle Welle des illiberalen politischen Drucks nur überleben, wenn sie selbstbewusst zu ihrer Kernkompetenz, zu ihrem USP stehen: fundierter Journalismus, der private Medien nicht konkurrenziert, sondern ergänzt – und den sonst niemand liefern kann.
Das Management von SRF versinkt im Chaos und macht das Gegenteil.
Anstatt sich auf die eigenen Stärken zu besinnen, scheint das Motto zu sein: Zum Teufel mit Qualität, zum Teufel mit Tiefe, wir müssen Kompromisse eingehen.
Doch leider bedeutet genau diese Strategie in der Konsequenz: zum Teufel mit SRF!
Zum Autor: Marko Kovic ist Gesellschaftskritiker. Er interessiert sich für gesellschaftlichen Wandel und die Frage, ob wir noch zu retten sind. Er lebt in Uzwil SG.