Martin Jucker: Unsere Agrarpolitik ist für die Tonne!
«Wir Bauern brauchen griffige politische Massnahmen, die unser Land und Ernährungssystem in die Zukunft führen», schreibt Martin Jucker in seiner Kolumne.
Das Wichtigste in Kürze
- Bauern brauchen Veränderungen, findet Obstbauer Martin Jucker.
- Und er liefert auch gleich die Eckpunkte einer neuen Agrarpolitik.
- Jucker betreibt die bekannte «Jucker Farm» in Seegräben ZH.
- 2014 wurde er gemeinsam mit seinem Bruder zum Unternehmer des Jahres gewählt.
Unsere aktuelle Agrarpolitik dient niemandem. Nicht weil es sie nicht braucht, sondern weil sie das Resultat von über 50 Jahren fauler Kompromisse ist.
Sie ist das, was übrigbleibt, wenn politisches Links-Rechts Seilziehen auf dem Buckel der Bauern ausgetragen wird.
«Aber es sind doch viele Bauern im Parlament», mögen Sie nun einwenden. Ja, richtig und ihre Lobby ist mächtig. Oft wird sie als die schweizweit Mächtigste bezeichnet.
Aber selbstkritisch betrachtet (als Bauer darf ich das), muss die Frage erlaubt sein, was uns Bauern das bisher gebracht hat.
Was brauchen wir Bauern?
Wir Bauern brauchen Veränderungen. Wir brauchen griffige politische Massnahmen, die unser Land und Ernährungssystem in die Zukunft führen.
Wir Bauern denken und handeln meist in Generationen. Wir brauchen keine Lösungen, die eine Wiederwahl in vier Jahren ermöglichen.
Wir brauchen langfristig den richtigen Weg. Agrarpolitik betrifft aber nicht nur Bauern. Die Qualität unserer Arbeit trägt massgeblich zum Wohlbefinden der ganzen Gesellschaft bei.
Je gesünder unsere Landschaft ist und je gesünder unsere Nahrungsmittel sind, desto gesünder ist die Bevölkerung.
Rein hypothetisch wäre die Lösung relativ einfach: Ich setze mich mit einer Gruppe von zehn Bauern an einen Tisch und innerhalb von einem Tag haben wir die Eckpunkte der Agrarpolitik so definiert (von Grund auf neu aufgesetzt), dass sie mehrheitsfähig ist und für alle eine bessere Zukunft bringt. Die Eckpunkte einer neuen Agrarpolitik wären:
1. Ausrichtung auf das Wohl der Menschen
Das heisst zum Beispiel keine Tabaklandwirtschaft mehr, keine Zuckersubventionierung, Fokus auf pflanzliche Produktion im Talgebiet (an Stelle von Tierfutterproduktion). Und voller Fokus auf eine gesunde Umwelt.
2. Fokus auf Ursachen und Folgenbekämpfung des Klimawandels
Regenerative Landwirtschaft bietet hier ein Gesamtpaket an Lösungen, die automatisch beides bearbeiten.
3. Förderung der unternehmerischen Leistung der Bauern
Bauern sollen nicht mehr über Massnahmen und Verbote gelenkt werden, sondern über ein Entgelt für erbrachte Leistungen. Dabei sind drei Säulen zu messen: Produktpreise, Leistung für Natur und Umwelt sowie Besiedelung und Pflege von Randregionen
4. Minimale Bürokratie, maximale Digitalisierung und Automatisierung
Zugegeben, das ist jetzt noch sehr oberflächlich, aber es ist ein Anfang. Heisst das, dass ich mich ab jetzt als Agrarpolitiker engagieren werde? Nein, keinesfalls.
Denn dann wäre ich Teil des Systems und könnte meine Meinung nicht mehr frei äussern. Ich müsste meine Meinung der politischen Mehrheitsfähigkeit unterordnen. Dazu müsste ich mich auf Kompromisse einlassen und allen Interessengruppen einen Teil ihrer Daseinsberechtigung zugestehen.
Was von meiner hypothetischen Lösung übrig bliebe, wäre wohl in etwa das, was wir haben – und nicht brauchen können.
Ich habe für mich entschieden, nicht auf die Politik zu warten und in meinem Einflussbereich (die Jucker Farm AG) vorauszugehen. Und an diesen vier Punkten orientiert ein Best-Practice-Beispiel aufzubauen.
Regenerative Landwirtschaft wird zu regenerativer Land- und Ernährungswirtschaft – oder eben zu regenerativem Wirtschaften.
«Wir müssen es nur tun»
Ich lade Sie herzlich ein, mit uns diesen Weg zu beschreiten. Als Unternehmerinnen und Unternehmer können wir die Zukunft gestalten. Wir müssen es nur tun.
Als Konsumenten und Konsumentinnen können wir beeinflussen, welche Konzepte in Zukunft Erfolg haben werden.
Zur Person: Martin Jucker ist gelernter Obstbauer und hat sich mit der «Jucker Farm» in Seegräben ZH über die Landesgrenzen hinweg einen Namen gemacht. Er steht für innovative, nachhaltige und unabhängige Landwirtschaft. 2014 wurde er zusammen mit seinem Bruder Beat, als bisher einziger Bauer, zum Schweizer Unternehmer des Jahres gewählt.