Pflegeinitiative: Personalmangel führt zu Kollaps
Pflegende arbeiten am Limit und erbringen Höchstleistungen. Lena Allenspach und Barbara Keller erklären im Gastbeitrag, wieso es die Pflegeinitiative braucht.
Das Wichtigste in Kürze
- Der Pflege in der Schweiz fehlt das nötige Personal.
- Die schlechten Arbeitsbedingungen führen dazu, dass viele Leute den Job aufgeben.
- Lena Allenspach und Barbara Keller begründen, weshalb die Pflegeinitiative essenziell ist.
Wir alle haben applaudiert. Zu Recht. Dank der Leistung von Pflegenden ist unser Gesundheitssystem nicht zusammengebrochen.
Pflegende arbeiten täglich am Limit und erbringen Höchstleistungen – und zwar nicht erst seit der Pandemie. Der Dank dafür? Miserable Arbeitsbedingungen. Deshalb braucht es jetzt ein deutliches Ja zur Pflegeinitiative.
Die Krise hat es auch den Letzten vor Augen geführt: Die Gesundheitsbranche ist essenziell. Das Personal wurde mit einem neuen Virus konfrontiert, mit täglich ändernden Dienstplänen, mit endlosen Arbeitstagen und zahlreichen Überstunden. Dazu kommt die ständige Angst sich selbst oder Angehörige anzustecken.
Wir alle wissen, dass wir auf das Gesundheitspersonal zählen können, denn trotz all den Widrigkeiten gibt es täglich alles. Applaus ist gut, aber nun müssen auch Taten folgen. Pflegende sind chronisch überlastet, erschöpft und frustriert. Unsere Gesellschaft muss nun handeln und den Menschen, welche uns pflegen, Sorge tragen.
Warum braucht es die Initiative?
Rund ein Drittel der Pflegenden zeigt Symptome von Burnout, Depressionen oder Angsterkrankungen. 40 Prozent des Pflegepersonals will gemäss einer Studie des Schweizerischen Gesundheitsobservatoriums wieder aus dem Beruf aussteigen. Gleichzeitig werden bis 2029 über 70'000 zusätzliche Pflegende benötigt.
Dieser Personalmangel ist ein Teufelskreis, denn die von der Politik beschlossene Finanzierung führt zu tiefen Stellenplänen und schlechten Arbeitsbedingungen. Steigen Pflegende deswegen aus dem Beruf aus, erhöht sich der Stress und Druck beim verbleibenden Personal.
Die Arbeitsbedingungen in der Pflege haben durch die Pandemie an Aufmerksamkeit gewonnen. Sie sind jedoch schon lange miserabel: die Pflegenden stehen unter massivem Druck. Laut einer Umfrage der Unia Schweiz aus dem Jahr 2019 ging hervor: 87 Prozent der Pflegenden haben zu wenig Zeit für die Pflege von Bewohnerinnen und Bewohner der Alters- und Pflegeheime.
Für eine gute Pflege braucht es genügend Personal
Auch eine Studie der Uni Basel bestätigt: Ein Viertel der Pflegenden gibt an, aus Zeitmangel manchmal auf die Körperpflege der Bewohnenden zu verzichten. Solche Entwicklungen sind besorgniserregend, wenn (z. B. während Krisensituationen wie der Coronapandemie) nicht sogar lebensgefährdend für die Pflegebedürftigen.
Es ist kein Zufall, dass die Arbeitsbedingungen in der Pflege schlecht sind. Sogenannte «Frauenberufe» wie die Pflege werden von der Gesellschaft weniger wertgeschätzt als die klassischen «Männerberufe». Damit muss Schluss sein, es kann nicht sein, dass sich Frauen für Pflegearbeit täglich aufopfern, ohne dafür wertgeschätzt zu werden.
Für eine gute Pflege braucht es genügend Personal, welches seinen Beruf langfristig ausüben kann und möchte. Das geht nur mit guten Arbeitsbedingungen in der Pflege. Genau hier setzt die Pflegeinitiative an.
Was will die Pflegeinitiative?
Die Volksinitiative «Für eine starke Pflege», auch Pflegeinitiative, verlangt bessere Arbeitsbedingungen, mehr ausgebildetes Personal und eine angemessene Finanzierung der Pflege. Damit will sie eine gute, sichere und menschliche Pflege sicherstellen.
Wer pflegt, hat eine enorme Verantwortung und soll entsprechend einen guten Lohn erhalten. Es braucht eine verlässliche Zeit- und Dienstplanung, familienfreundliche Strukturen und berufliche Entwicklungsmöglichkeiten. Denn nur mit besseren Arbeitsbedingungen wird erreicht, dass weniger Menschen aus dem Beruf aussteigen.
Eine gute Pflege, bei welcher die Menschen zuerst kommen, braucht Zeit. Dafür braucht es vor allem genügend Personal, eine Finanzierung, um dieses zu guten Bedingungen anzustellen, und auch genügend Ausbildungsplätze. Für Pflegende soll es einfacher werden, sich zusätzlich aus- und weiterzubilden, womit der Fachkräftemangel reduziert wird.
Behandeln wir also die Heldinnen und Helden der Krise, wie sie es verdient haben. Klatschen reicht nicht! Es braucht faire Löhne, gute Arbeitsbedingungen und Respekt für diese unglaublich wichtige Arbeit: Ja zur Pflegeinitiative am 28. November.
Zu den Autorinnen:
Barbara Keller ist Co-Präsidentin SP Bern Ost, Geschäftsleitungsmitglied der SP Frauen Schweiz und Campaignerin bei der Unia Schweiz
Lena Allenspach ist SP-Stadträtin, Co-Präsidentin der SP Stadt Bern, Gewerkschafterin bei syndicom und Politologin.