Philipp Eng (JF) zu «Ja heisst Ja»: «Das wäre der grobfalsche Weg»
Gilt im Schweizer Sexualstrafrecht bald «Nur Ja heisst Ja»? Philipp Eng (Jungfreisinnige) schreibt im Gastbeitrag, warum es eine gefährliche Augenwischerei ist.
Das Wichtigste in Kürze
- Das Parlament beugt sich derzeit über die Revision des Sexualstrafrechts.
- Einige fordern die Zustimmungslösung «Nur Ja heisst Ja».
- Philipp Eng von den Jungfreisinnigen erklärt, warum das ein grobfalscher Weg ist.
Um Artikel 190 des Strafgesetzbuches drehten sich hitzige Debatten in der Gesellschaft, den Medien sowie auf Social Media in den vergangenen Tagen und Wochen. Und das zu Recht:
Der aktuelle Tatbestand der Vergewaltigung stellt unsere Gesellschaft vor vielerlei Probleme: In den Diskussionen kursieren die unterschiedlichsten Ansichten, was bereits ein sexueller Übergriff im strafrechtlichen Sinn sein soll; die Medien bringen die reisserischsten Stories und versuchen, ein 30-seitiges Strafurteil gefühlt auf zwei Zeilen zusammenzufassen.
Symbol- statt Lösungspolitik
Die Lösungsansätze der Politik sind oft nicht viel besser: Es wird – wie so oft – Symbolpolitik betrieben, anstatt umsetzbare Lösungen zu präsentieren. Die geforderte Beweislastumkehr für Sexualdelikte ist das beste Beispiel: gut gemeint – unmöglich umzusetzen. Niemand kann beweisen, was er den ganzen Tag hindurch nicht gemacht hat. Dieser Ansatz würde damit mit so ziemlich allem brechen, was unseren Rechtsstaat ausmacht.
Richtiger Entscheid des Ständerates
Der Entscheid des Ständerates, die «Nein-heisst-Nein»-Regel gesetzlich vorzusehen, ist aber eine richtige Entscheidung. Dem Willen eines Menschen kann nicht nur zuwider gehandelt werden, wenn sich diese Person aktiv dagegen zur Wehr setzt. Dies schien den Souverän bei der Organentnahme vor ein paar Wochen zwar nicht gross zu kümmern – im Sexualstrafrecht wird mit dieser Lösung diesem Grundsatz aber zu Recht gefolgt.
«Ja heisst Ja» wäre Augenwischerei
Dass Sex einvernehmlich sein muss, steht ausser Frage. Die «Ja-heisst-Ja»-Lösung jedoch wäre der grobfalsche Weg und es bleibt zu hoffen, dass der Nationalrat sich dieser nicht anschliesst. Warum? Ganz einfach: Das Hauptproblem im Strafrecht ist fast nie die gesetzliche Formulierung, sondern die Beweisproblematik. Es gibt kaum eine Handlung, die man – ob einvernehmlich oder nicht – öfters ohne andere Menschen ausführen will als Sex. Aus diesem Grund gibt es so gut wie nie Zeugen einer mutmasslichen Vergewaltigung.
Die «Ja-heisst-Ja»-Lösung wäre somit einzig gefährliche Augenwischerei. Einem potentiellen Vergewaltigungsopfer würde eine Scheinsicherheit gegeben, dass durch die Gesetzesänderung mehr Schutz vor einem sexuellen Übergriff bestehe, doch dem ist nicht so. Genauso wenig wie das Verbot von Drogen das Problem der Abhängigkeit löst. «Ja heisst Ja» tönt gut und richtig, löst aber das Problem keineswegs. Die Gesellschaft sähe das Problem aber als gelöst an – man hat ja das Gesetz angepasst.
Einmal mehr: Verantwortung statt Gesetz
Letztlich gibt es wie so oft nur einen Lösungsansatz, der wirklich hilft: Die Gesellschaft muss die Themen Sexualität, sexualisierte Gewalt und den sexuellen Umgang mit anderen Menschen schleunigst enttabuisieren und thematisieren. Unangebrachte Verhalten und falsche Vorstellungen müssen im persönlichen Umfeld angesprochen und korrigiert werden. «Nein heisst Nein» und die Ausdehnung des Vergewaltigungsbegriffs auf alle Geschlechter ist ein guter erster Schritt – der zweite darf aber keine vertragsähnliche nicht beweisbare Zustimmungslösung sein, sondern mehr gesellschaftliche (Eigen-)Verantwortung.