Ständerat lehnt «Nur Ja heisst Ja»-Lösung ab
Die Debatte um die Revision des Sexualstrafrechts hat begonnen. Der Ständerat hat dem «Nein heisst Nein»-Prinzip zugestimmt und ist somit dem Bundesrat gefolgt.
Das Wichtigste in Kürze
- Die Revision des Sexualstrafrechts hat im Parlament heute begonnen.
- Der Ständerat hat den Änderungen zugestimmt und somit auch dem «Nein heisst Nein»-Prinzip.
- Gemäss einer Studie befürworten die Mehrheit der Schweizer die «Nur Ja heisst Ja»-Lösung.
Was soll künftig als Vergewaltigung oder sexuelle Nötigung gelten? Muss sich das Opfer wehren, können nur Frauen vergewaltigt werden? Mit diesen Fragen beschäftigte sich heute der Ständerat während der ersten Debatte rund um die Sexualstrafrechtsrevision.
Der Ständerat folgte nach langer Debatte der Rechtskommission und stimmte für das sogenannte «Nein-Modell». Eine sexuelle Handlung soll dann strafbar sein, wenn sie sich über ein klares Nein hinwegsetzt.
«Nein heisst Nein» statt «Ja heisst Ja»
Einzelne Details waren unumstritten: Beispielsweise, dass Täterinnen und Täter auch strafrechtlich verfolgt werden können, wenn das Opfer eine Ehe mit ihnen eingegangen ist. Oder auch, dass nicht nur «Personen weiblichen Geschlechts» vergewaltigt werden können.
Der Versuch der linken Ständeratsmitglieder, die «Nur Ja heisst Ja»-Formulierung in das Strafgesetz zu bringen, scheiterte jedoch. Vergewaltigungen, sexuelle Übergriffe und Nötigung wären gemäss dieser Option «ohne Einwilligung» einer Person geschehen. Der für gut befundene Wortlaut lautet aber «gegen den Willen».
Dieses «Nein heisst Nein»-Prinzip war auch der Wunsch des Bundesrats. Karin Keller-Sutter kündigte jedoch eine Bestandesaufnahme in den Kantonen an. Ein Projekt soll klären, wie Opfer begleitet werden, wie sie befragt werden, wie die Staatsanwälte, die Anwälte und die Angehörigen der Polizei ausgebildet werden.
Feministen hoffen auf Nationalrat
Diese Entscheidung des Ständerats sorgt für reichlich Reaktionen. Die SP spricht in einer Medienmitteilung von einer «verpassten historischen Chance» und hofft jetzt auf den Nationalrat. Auch für Amnesty Schweiz ist die «Nein heisst Nein»-Lösung «nicht mehr zeitgemäss.»
Der Ständerat hat die Chance auf ein konsensbasiertes #Sexualstrafrecht verschlafen. Jetzt muss ihn der Nationalrat wachrütteln und den Entscheid korrigieren. Wir stehen weiterhin energisch und hartnäckig für #NurJaheisstJa ein und zählen auf deine Stimme: https://t.co/LSVh52jM25 pic.twitter.com/J9PKgZl1Wn
— Operation Libero (@operationlibero) June 7, 2022
Ständerat anderer Meinung als Bevölkerung
Sie alle und nicht etwa der Bundesrat haben aber offenbar die Unterstützung der Bevölkerung: Eine Studie hat herausgefunden, dass 45 Prozent die «Nur Ja heisst Ja»-Formulierung besser finden. Nur 27 Prozent stimmten dem «Nein heisst Nein»-Prinzip zu.
Auch geändert wurde das Strafmass für Vergewaltigungen, Nötigungen und sexuelle Übergriffe. In Fällen mit Gewalt, psychischer Druck oder Drohungen stimmte der Ständerat einer längere Freiheitsstrafe zu. Die Bestrafung bei Weiterverbreitung von sogenannter «Rachepornografie» hingegen kam jedoch nicht durch. Die Kommission wollte diesen neuen Artikel in das Gesetz verankern.
Eine Minderheit und der Bundesrat argumentierten jedoch, dass es sich hier nicht um die sexuelle Integrität handle. Vielmehr sei es eine «Verletzung des Geheim- und Privatbereichs», so der Bundesrat in seiner Botschaft. Zudem sei die Formulierung problematisch und würde in der Praxis zu «erheblichen Anwendungsschwierigkeiten führen».