Reise-Kolumne: So reisen Sie ohne schlechtes Gewissen!
Wie nachhaltig die Ferien sind, liege auch in der Verantwortung der Reisenden, findet Stephanie Schulze zur Wiesch in der neuen Nau.ch-Reisekolumne.
Das Wichtigste in Kürze
- Stephanie Schulze zur Wiesch ist CEO bei den Kuoni Marken (DER Touristik Suisse AG).
- In der Nau.ch-Reisekolumne gibt sie Tipps zur Nachhaltigkeit.
- Verantwortungsbewusst handeln und planen, könne nämlich richtig viel Spass machen.
Die Ferien sind für viele von uns ein heiliges Gut. Raus aus dem Alltag, rein in die Erholung, etwas anderes sehen, komplett abschalten. Doch gleichzeitig treibt immer mehr Menschen die Frage um: Können wir überhaupt noch mit gutem Gewissen reisen? In ein Flugzeug steigen?
Diese Fragen müssen natürlich individuell beantwortet werden. Meine persönliche Antwortet lautet: «Ja, aber…».
Ja, weil: Viel zu wichtig finde ich all die positiven Aspekte, die das Reisen hat: die Erholung, das Entdecken unglaublich schöner Länder und Orte, den kulturellen Austausch, das Verständnis für andere Länder und Menschen oder die Touristik als wichtige Einnahmequelle für viele Menschen.
Und «aber», weil ich es wunderbar finde und fände, wenn wir bewusst reisen, uns darüber Gedanken machen, was wir buchen und wie wir uns beim Reisen verhalten – nicht nur auf der Hin- und Rückreise, sondern auch vor Ort.
Wir als Reiseexpertinnen und Reiseexperten übernehmen dabei die Aufgabe, Kundinnen und Kunden, aber auch die Mitarbeitenden zu sensibilisieren und sie mit Orientierungshilfen auszustatten.
Das können Sie beispielsweise beachten:
• Entscheiden Sie sich für einen Reiseveranstalter, der sich für einen verantwortungsvollen Tourismus einsetzt und lokale Projekte unterstützt. Ein verlässliches und strenges Siegel im Zertifikatsdschungel ist zum Beispiel TourCert. Auch bei den Unterkünften können anerkannte Nachhaltigkeits-Zertifizierungen die Wahl erleichtern.
• Informieren Sie sich über Ihr Reiseziel und lernen Sie einige Wörter der Landessprache. Nehmen Sie sich Zeit für Begegnungen mit der Bevölkerung und lernen Sie die Kultur kennen. Unterstützen Sie die lokalen Gemeinschaften mit der Wahl von einheimischen Reiseleitern, Unterkünften, Restaurants und Souvenirs.
• Hinterfragen Sie touristische Aktivitäten mit Tieren. Verzichten Sie auf Angebote wie Bärentanz oder Schlangenbeschwörung, Aktionen, bei denen Tiere zum Betteln eingesetzt werden, vermeiden Sie Elefantenreiten, Straussenreiten, Rodeo, Stierkämpfe oder Stierläufe. No-Gos sind für mich auch Tauchen mit Schildkröten, Haien oder Delfinen in Becken oder Käfigen. Auch beim Buchen von Safaris sollte man nicht einfach alles fraglos hinnehmen, sondern lieber einmal genauer hinschauen, oder sehr gerne auch bewusst nachfragen.
• Bei Reisen auf die Malediven empfehle ich dringend, keine der künstlich aufgeschütteten Inseln auszuwählen. Diese Praxis zur Landgewinnung zerstört natürliche Lebensräume und belastet die Flora, die Fauna und die umliegenden Riffe.
• Anreisen mit dem Zug sind nachhaltiger und für Ziele mit guter Bahnanbindung wie München, Mailand oder Paris mehr als nur eine Alternative. Wenn Sie fliegen, wählen Sie einen Direktflug, erkundigen Sie sich über die Möglichkeit der Förderung von Sustainable Aviation Fuel (SAF) oder kompensieren Sie Ihre Emissionen.
• Reisen Sie ausserhalb der Hauptreisezeiten oder antizyklisch, um dem Massentourismus entgegenzuwirken. Dann hat die lokale Bevölkerung auch in der Nebensaison ein Einkommen. Es müssen auch nicht immer die Top-10-Ziele sein. Die Städtereisenveranstalter etwa empfehlen Ihnen gerne Alternativen zu Rom, Barcelona oder Berlin. Auch Antwerpen, Bergamo oder Heidelberg sind tolle Ziele mit freundlichen Gastgeberinnen und Gastgebern.
• Sensibel sind Volunteering-Angebote oder Projektbesuche in Zusammenhang mit Kindern. Bei unseren Veranstaltern haben wir Besuche von Waisenhäusern oder Schulen ganz aus dem Programm gestrichen. Es hat sich herausgestellt, dass wir dabei nicht 100 Prozent vermeiden können, dass geschützte Lernorte gestört, finanzielle Abhängigkeiten erzeugt und die Persönlichkeitsrechte der Kinder missachtet werden. Auch wenn es einem schwerfällt, sollte man übrigens bettelnden Kindern nichts geben. Eine Sach- oder Geldspende an eine Schule bewirkt mehr.
• Vermeiden Sie Food Waste und gehen Sie sparsam mit Wasser und Energie um. Eine Dusche ist zum Beispiel kein Kinderspielgerät. Packen Sie Mehrwegartikel in Ihr Gepäck, um Einwegplastik zu vermeiden.
Selbstredend ist die Liste nicht abschliessend und schon gar kein Regelwerk. Flugkompensationen alleine machen aber keine nachhaltigen Ferien aus.
Verstehen Sie die Vorschläge als Anregung und finden Sie einen eigenen Umgang, unter welchen Voraussetzungen Sie die Themen Ferienreisen und Nachhaltigkeit unter einen Hut bringen können.
Sie werden sehen: Verantwortungsbewusst handeln und planen, kann richtig viel Spass machen! Ich wünsche Ihnen viel Freude beim Reisen und Entdecken.
Ihre Stephanie Schulze zur Wiesch