Ronnie Grob: Für immer im Homeoffice
Wer ins Homeoffice geschickt wurde, sollte sich mit dieser Situation anfreunden. Seinen alten Job sieht er womöglich nie mehr. Ein Gastbeitrag von Ronnie Grob.
Das Wichtigste in Kürze
- Ronnie Grob ist Chefredaktor des «Schweizer Monat».
- Das Autoren- und Debattenmagazin für Politik, Wirtschaft und Kultur ist 100 Jahre alt.
- Grob lebt in Zürich und ist der Meinung, man sollte das Homeoffice mit Vorsicht geniessen.
Wer im Homeoffice sitzt, muss nicht unproduktiver sein als sonst. Unnötige Sitzungen, wie sie gerade in Grossunternehmen viel zu oft abgehalten werden, bleiben so unnötig wie zuvor. Nun halt per Videocall und nicht mehr im Sitzungszimmer.
Viele, die von ihrem Arbeitgeber oder vom Bundesrat ins Homeoffice gezwungen wurden, finden das eine gute Sache: Sie erledigen während der Arbeitszeit die Wäsche, spülen das Geschirr, saugen die Wohnung.
Wenn der Frühling dann einzieht, werden sie auch im Garten aktiv. Vielleicht rauchen sie auch schon mal einen Joint am Nachmittag, oder genehmigen sich einen ersten Apéro gleich nach dem Mittag. Easy Living. Keine Termine und leicht einen sitzen haben – das war schon Harald Juhnkes Definition von Glück.
Homeoffice ist mit Vorsicht zu geniessen
Es ist ein Glück, das mit Vorsicht zu geniessen ist. Vielen von ihnen wird nämlich eines Tages von der Abteilung Human Ressources beschieden werden, dass sie nicht mehr ins Büro kommen müssen. Und zwar nie mehr. Weil die eigene Abteilung für immer schliesst. Oder gleich die ganze Firma.
Es gibt nämlich Konkurrenz: In Pakistan, im Niger und in China (und natürlich auch in Ungarn, in Polen und in Rumänien) warten Hunderte Millionen von klugen, fähigen und fleissigen Talenten darauf, in den Wettbewerb treten zu können mit Leuten, die es gerne etwas gemütlich nehmen im Schweizer Homeoffice und womöglich weder herausragende Fähigkeiten haben noch herausragende Leistungen bringen, sondern einfach recht viel kosten.
Man wird den Leuten im Schweizer Homeoffice dann einfach weniger Geld bezahlen als bisher. Oder gar keines mehr, weil man sie schlicht nicht mehr braucht. Aber keine Sorge: Der Staat, der zunehmend glaubt, die ganze Welt retten zu müssen und zu können, übernimmt dann sicher auch ihre Rechnungen, und zahlt ihnen ein bescheidenes Grundeinkommen aus. Wer nicht mehr als das von seinem Leben erwartet und gut auskommt mit wenig, dem wird es gut ergehen.
Chancen für systemrelevante Jobs
Eine Chance bieten könnte diese Entwicklung all jenen, die nützliche, ja unverzichtbare oder gar systemrelevante Arbeiten leisten. Und eine spürbare Lohnerhöhung, wenn sie gut verhandeln. Das betrifft alle Jobs, nach denen eine echte Nachfrage besteht: Mitarbeiter im Gesundheitswesen beispielsweise, qualifizierte Handwerker aller Art, Leute mit einem einzigartigen technischen Know-how.
Konkurrenz drohnt aber nicht nur aus dem Ausland. Für immer nach Hause geschickt werden könnten auch Leute, deren Arbeit zwar gut und wichtig ist, jedoch auch verzichtbar. Gefährdet sind all jene, die nichts machen, das sich verkaufen lässt, also nichts produzieren, das die Gesellschaft unbedingt haben will. Journalisten wie ich könnten bei dieser Gruppe dabei sein.
Sicher auch all jene, die derzeit ihre Arbeitszeit mit Gesprächen auf «Clubhouse» füllen – eine Talk-App, in der sich Leute mit iPhones, die offenbar nicht ganz ausgelastet sind von ihren täglichen Aufgaben, zum Schwatz treffen.
Für immer im Homeoffice landen könnten auch Leute mit sogenannten Bullshitjobs. Bei der Erkennung, ob jemand einen Bullshitjob hat, ist die Jobbeschreibung ein Indiz: Wenn dabei nicht sofort klar wird, was die Person nun eigentlich macht, besteht die Chance, dass es einer ist.
Natürlich aber kann es sich auch um eine Person handeln, die eine hochspezialisierte Tätigkeit ausübt. Als Faustregel gilt: Wenn es eine hohe Nachfrage gibt danach, also viel Geld bezahlt wird dafür, dann ist’s kein Bullshitjob. Wenn es etwas ist, das alle irgendwie zu beherrschen vorgeben können – wie etwa Kommunikation oder Coaching – dann vielleicht schon.
Bisher haben es die Regierungen und ihre Zentralbanken geschafft, alle aufkommenden Probleme mit dem Erzeugen von immer mehr Geld zuzudecken. Eine noch viel grössere Wirtschaftskrise, die ohne die vielfältigen und immer tiefer greifenden Massnahmen der Europäischen Zentralbank (EZB) und der US-Amerikanischen Zentralbank (Fed) längst ausgebrochen wäre, schlummert weiter vor sich hin.
Konkurse finden im Stillen statt, und noch warten Grossfirmen mit den Entlassungen zu. Es könnte aber bald mal losgehen mit der grossen Wirtschaftskrise. Bereiten sie sich vor.
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Zum Autor: Ronnie Grob ist Chefredaktor des «Schweizer Monat». Das Autoren- und Debattenmagazin für Politik, Wirtschaft und Kultur ist 100 Jahre alt. 2015 wurde Grob als Nachbern.ch-Blogger kurzzeitig aus dem Bundeshaus verbannt. Er lebt in Zürich und ist besorgt über den Niedergang der Freiheit.
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