«Sekten-Papa»! Muss die KESB meine Söhne holen?

Sam Urech
Sam Urech

Wetzikon,

Als begeisterter Christ nimmt unser Halleluja-Kolumnist seine Kinder gerne mit in die Freikirche. Ein Fall für unsere Schutzbehörde, finden einige.

Sam Urech
Sam Urech besucht die Freikirche FEG Wetzikon. - Fotograf: Sebastian Heeb

Das Wichtigste in Kürze

  • Sam Urech aus dem Zürcher Oberland ist Halleluja-Kolumnist auf Nau.ch.
  • Sind Sie seiner Meinung? Eher nicht? Wir freuen uns auf Ihren Kommentar.
  • Den Autor erreichen Sie per E-Mail unter [email protected].

Seit ich Halleluja-Kolumnen schreibe, wird mir öfters von Lesenden mitgeteilt, die KESB werde mir bestimmt bald meine Kinder wegnehmen.

In der letzten Kolumne hat jemand kommentiert, vielleicht sollte man mich kastrieren, da ich ja schon zwei potenzielle Sektengänger gezeugt habe. Ich glaube, es wird Zeit, das Thema «Kindererziehung als Freikirchler» aufzurollen.

Zunächst mal zur Info: Meine Frau und ich haben zwei Söhne, beide sind jünger als drei Jahre. Sowohl meine Frau als ich glauben daran, dass Jesus Christus Gottes Sohn ist.

Wir besuchen normalerweise als Familie die Freikirche «FEG Wetzikon», gucken derzeit die Gottesdienste im Live-Stream.

Von Christen verletzt

Ich kann verstehen, dass deswegen da und dort Alarmlampen aufpoppen. Es gibt unzählige Berichte von religiösen Zwängen in Familien: Druck, Manipulation, Angst, Missbrauch.

Leider kenne ich nicht wenige Menschen, die freikirchlich aufgewachsen sind und heute nichts mehr von Gott hören möchten.

Warum? Sie wurden von Christen verletzt. Vielleicht vom Pastor, vielleicht von anderen Kirchengängern – im scheusslichsten Fall von den eigenen Eltern.

Es ist furchtbar, wenn die Liebe der Eltern für ihre Nachkommen davon beeinflusst wird, welche Glaubenseinstellung die Kinder haben. Solche Väter und Mütter haben wenig kapiert von Jesus und wenig von der Liebe.

Bedingungslose Liebe

Wer seine Kinder inniger liebt, wenn sie anständig, erfolgreich oder gläubig sind – liebt in erster Linie nicht seine Kinder, sondern sich selbst und seine eigenen Werte und Vorstellungen.

Vielleicht denken Sie gerade, ich sei naiv und hätte keine Ahnung, wie es sich anfühlt, wenn die eigenen Kinder erwachsen sind und sich katastrophal benehmen. Ich gebe Ihnen recht, davon habe ich keine Ahnung. Und ich sage auch nicht, mir würde das locker gelingen.

Ganz unabhängig von mir und davon, was ich kann oder nicht, ist es aber so: Wahre Elternliebe ist bedingungslos.

Als Vater ist es mir unendlich wichtig, dass meine Söhne diese bedingungslose Liebe spüren, dass sie mir vertrauen und dass sie eine Beziehung zu mir aufbauen möchten. Misslingt mir das, beraube ich sie und mich.

Beten und Bibel-Geschichten

Und nun zur Frage, wie fest ich meine Kinder christlich präge: Sehr stark! Mein ganzes Weltbild baut auf die Bibel, es gibt für mich nichts Wichtigeres als meinen Glauben an Jesus.

Ich bete mit meinen Söhnen und erzähle dem Älteren Geschichten aus der Kinderbibel. Grassiert mal ausnahmsweise keine Pandemie, gehen beide am Sonntag ins Kinderprogramm unserer Kirche, wo der Jüngere mit einem Ball spielt und der Ältere eine Geschichte aus der Bibel hört oder irgend ein biblisches Motiv ausmalt.

«Huch! Also doch: Wo ist die Notfallnummer der KESB?» Bevor Sie jetzt Schnappatmung kriegen, sollten Sie weiterlesen, denn wenn Sie schon der KESB anrufen, müssten Sie gleich noch Weiteres melden.

Auch ein Atheist prägt seine Kinder

Ich präge meine Söhne nicht nur mit meinem Glauben. Auch mit meinen politischen Ansichten, meiner Einstellung zu Geld, Arbeit, Freundschaft, zur Umwelt und so weiter.

Seine Kinder NICHT zu prägen, ist gar nicht möglich. Nicht für einen Christen, nicht für einen Atheisten. Die Frage ist, WIE ich sie präge. In Liebe oder in Selbstsucht?

Sowohl Christen als auch Atheisten prägen ihre Kinder. Was denken Sie dazu?

Hopp, Pfadi Winterthur!

Ein banaleres Präge-Beispiel: Der Sport. Wir haben während den kalten Wochen ein Eisfeld gebaut im Garten und jagten stundenlang einem Puck nach. Also der Ältere und ich – der Jüngere schaute zu.

Kaum liegt kein Schnee, spielen wir Fussball. Immer wieder gucken wir zusammen am TV Bundesliga-Spiele, weil da ein enger Freund unserer Familie spielt. Prägt das? Oh, ja.

So unfair: Ich habe noch nie Handball mit meinem Sohn gespielt oder geguckt. Kein Problem! Irgendwann wird mein Sohn Handball entdecken. Sollte er dann begeistert davon sein, werden wir vielleicht Fans von Pfadi Winterthur.

Ja, dann würden Fussball und Eishockey von Handball abgelöst. Oder von Judo, Springreiten, Kunstturnen oder was auch immer meine Söhne mögen. Denn es geht in ihrem Leben um ihre Leidenschaften, um ihre Vorlieben und um ihre Werte – nicht um meine.

Doppelpass und Fadegrad-Kolumne

Natürlich sind Glaubensfragen noch eine Ebene tiefer. Umso wichtiger, dass wir als Eltern besonders aufmerksam sind.

Sollte ich eines Tages spüren, dass einer meiner Söhne nicht mit in die Freikirche kommen möchte, bleibe ich auch Zuhause, solange er noch klein ist. Dann gucken wir auf «Sport 1» Doppelpass und freuen uns auf die Sonntagskolumne von Reda El Arbi.

Merke ich, dass sich ein Sohn unwohl fühlt, wenn ich vor dem Einschlafen bete, spreche ich es an. Will er es nicht mehr, mache ich es nicht mehr. Ganz einfach.

Ich wäre dumm, wenn ich es so weit kommen liesse, dass ihn mein Glaubenseifer abstösst. Den Wunsch, dass er meinen Glauben anziehend findet, könnte ich sogleich beerdigen.

Hat mein Glaube Kraft?

Der Glaube ist das Befreiendste und Wundervollste in meinem Leben. Ja, darum wünsche ich auch meinen Söhnen, dass sie später Jesus nachfolgen werden.

Sie sehen jeden Tag, wie ich lebe. Sie kennen meine Stärken, meine Schwächen. Hat dieser Glaube wirklich Kraft in meinem Leben? Hat er positive Auswirkungen? Liegt da Freiheit?

Falls ja, werden sie es spüren und möglicherweise anziehend finden. Spüren sie aber Druck, rennen sie hoffentlich weit weg oder rufen gleich selbst die KESB an.

***

Zum Autor:

Sam Urech ist 36-jährig, verheiratet und Vater von zwei Buben. Mit seiner Familie besucht er die Freikirche FEG Wetzikon. Sam hat viele Jahre beim Blick als Sportjournalist gearbeitet und ist heute Inhaber der Marketing Agentur «ratsam».

Er liebt seine Familie, seine Kirche, Guinness, Fussball, Darts, den EHC Wetzikon, Preston North End und vor allem Jesus Christus. Sam schreibt wöchentlich auf Nau.ch über seine unverschämt altmodischen Ansichten. Wenn Sie hier klicken, finden Sie alle seine Halleluja-Kolumnen.

Fragen oder Anregungen? Schreiben Sie Sam ein Email ([email protected]) oder kontaktieren Sie ihn über Facebook (halleluja.kolumnist).

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