Verena Herzog (SVP) erklärt ihr Nein zur «neuen» Organspende
Die Widerspruchsregelung führt nicht nachhaltig zur Erhöhung der Organspenden.
Das Wichtigste in Kürze
- Die Widerspruchsregelung ist weder ethisch noch rechtstaatlich vertretbar.
- Sie ist kein Garant für eine erhöhte Spenderate. Andere Lösungsansätze sind zielführender.
Ein Nein zur Widerspruchsregelung ist kein Nein zur Organspende!
Bei der vorliegenden Volksabstimmung geht es nicht um die Frage «Pro oder Contra Organspende», sondern vielmehr darum, auf welche Weise die Erhöhung der Organspenden verantwortet und nachhaltig erreicht werden kann.
Organe zu spenden ist edel. Eine Erhöhung der Organspender-Zahlen ist anzustreben. Jedoch braucht es ethisch und rechtstaatlich vertretbare Lösungen, die auch die Würde und die Grundrechte des Sterbenden achten. Denn nicht nur die Organempfänger, sondern auch die Organspender, deren Organe begehrt sind, haben ein Recht auf Würde, Schutz und Selbstbestimmung.
Fundamentaler Paradigmenwechsel verstösst gegen die Bundesverfassung
Bis anhin gilt in der Schweiz bei Organentnahmen die «erweiterte Zustimmungslösung». Organe dürfen einer Person nur entnommen werden, wenn diese oder die Angehörigen der Entnahme zugestimmt haben. Das neue Transplantationsgesetz will nun einen fundamentalen Paradigmenwechsel einführen.
Neu soll die «erweiterte Widerspruchsregelung» gelten: Jedem Sterbenden, der nicht zu Lebzeiten einer Organspende widersprochen hat, können automatisch Organe entnommen werden. Damit ist die Widerspruchsregelung verfassungswidrig. Art. 10 Abs. 2 der Bundesverfassung garantiert das Recht auf körperliche und geistige Unversehrtheit und auf Selbstbestimmung. Dieser Schutz gilt ganz besonders auch in höchst verletzlichen Situationen wie beim Sterbeprozess.
Ethisch äusserst bedenklich!
Schweigen bedeutet plötzlich Zustimmung! Das ist ethisch äusserst bedenklich! Hier wird genau das Gegenteil vorgeschlagen, was beim einvernehmlichen Sex als selbstverständlich gilt. Dort gilt nach modernem Verständnis nur ein JA als JA.
Der eigene Körper gehört zum Privatesten, was der Mensch hat. Daher verlangt die medizinische Ethik für jede medizinische Handlung, selbst für eine Blutentnahme oder Impfung, eine ausdrückliche Zustimmung vom Patienten. Bei grösseren Eingriffen braucht es sogar seine Unterschrift. Und das will jetzt – bei einer der grössten durchgeführten Operationen– aufgehoben werden?!
Der Druck auf Angehörige nimmt zu
Hat sich die sterbende Person zu Lebzeiten nicht zur Organspende geäussert, würden die Angehörigen über deren mutmasslichen Willen befragt. Da Zustimmung künftig als normal gelten wird, könnte ihnen die Ablehnung der Organspende als unsolidarisches Verhalten angelastet werden. In dieser hochemotionalen Phase geraten die Angehörigen somit zusätzlich unter Druck. Selbsthilfegruppen im umgebenden Ausland belegen, dass der gefällte Entscheid später immer wieder bitter bereut wird.
Ein billiges Täuschungsmanöver
In Verbindung mit der Widerspruchsregelung noch von «Spende» zu sprechen ist irreführend. Sie entspricht vielmehr einer staatlich autorisierten Organentnahme!
Und es ist ein billiges Täuschungsmanöver, wenn von den Befürwortern betont wird, 80 Prozent der Bevölkerung seien gemäss einer von Swisstransplant in Auftrag gegebenen Umfrage für eine Spende und damit mit der Entnahme von Organen ohne Einwilligung einverstanden. Vom Bundesamt für Statistik durchgeführte Befragungen zeigen ein deutlich realistischeres Bild: Nur 50 Prozent der Befragten sind «eher» bereit zu einer Spende.
Nutzen der Widerspruchslösung nicht belegt
Die Umstellung auf die Widerspruchsregelung bedeutet nicht automatisch, dass mehr Organe zur Verfügung stehen würden. Aktuelle Studien zeigen, dass sich keine Rückschlüsse auf die Zahl der verfügbaren Organe ziehen lassen. In einigen Ländern ist die Spenderate sogar gesunken!
Damit entbehrt das zentrale Argument der Befürworter der Einführung der Widerspruchsregelung einer tragfähigen Grundlage. Stattdessen ist die Zusammenarbeit der Spitäler untereinander und sind die Prozesse in den Transplantations-Spitälern zu verbessern. Wie Erfahrungen aus anderen Ländern zeigen, sind sie für den Erfolg der Transplantationsmedizin entscheidend!
Zielführendere Lösungsansätze
- Eine sachliche, gut verständliche und ergebnisoffene Informationskampagne zur Organspende ist überfällig! Sie schafft Vertrauen und bringt die Menschen dazu, sich mit der Organspende auseinanderzusetzen.
- Die von der nationalen Ethikkommission vorgeschlagene Erklärungsregelung, die ich im Nationalrat aktiv unterstützt habe, bringt die Menschen dazu, sich mit der Organspende auseinanderzusetzen und sich dazu zu äussern. Jede Person müsste systematisch festhalten, ob sie ihre Organe spenden will oder nicht – oder ob sie sich noch nicht dazu äussern will. Die Erklärungsregelung wahrt das Selbstbestimmungsrecht und fördert am besten das Vertrauen der Bevölkerung in die eigene Organspende.
- Auch die regelmässige Aufforderung, seinen Willen zur Organspende auf der Krankenkassenkarte eintragen zu lassen, wäre administrativ einfach und erfolgversprechend. Den Willen des Sterbenden zu kennen ist für Angehörige und auch das Gesundheitspersonal sehr entlastend.
- In der USA wird bei der Neuausstellung des Führerscheins nach dem Willen des Inhabers zur Organspende befragt. Bei positiver Antwort wird auf dem Führerschein gut sichtbar ein kleines rotes Herz abgebildet. Mehrere Millionen Amerikaner werden auf diese Weise jährlich vor die Wahl gestellt. 45 Prozent der erwachsenen Bevölkerung der Vereinigten Staaten deklarieren, nach ihrem Tod Organe entnehmen zu lassen.
Mein Fazit: Zielführende Lösungsansätze, die unserem ethischen und rechtstaatlichen Verständnis entsprechen, dürfen nicht verbaut werden. Darum Nein zum Transplantationsgesetz! Eine Spende muss eine Spende bleiben.
Zur Autorin: Verena Herzog ist SVP-Nationalrätin aus dem Kanton Thurgau und Mitglied der Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrats. Sie sitzt im Referendums-Komitee «NEIN zur Organentnahme ohne Zustimmung».