Weigerung zur Fortpflanzung? Grösster Beitrag für Umweltschutz!

Verena E. Brunschweiger
Verena E. Brunschweiger

Zürich,

Freiwillige Kinderlose erwartet wenig Verständnis. Im Gegenteil: Es warte Schmerz, Traurigkeit, Krankheit und Unglück. Eine Kolumne von Verena Brunschweiger.

Verena Brunschweiger.
Verena Brunschweiger schreibt auf Nau.ch Kolumnen. - zvg

Das Wichtigste in Kürze

  • Die deutsche Autorin Verena Brunschweiger ist bewusst «kinderfrei».
  • Auf Nau.ch schreibt Brunschweiger regelmässig Kolumnen – und erhitzt dabei die Gemüter.

Nachdem immer wieder ignorante Leute behaupten, freiwillig Kinderlose («Antinatalisten») wären allesamt zu Depressionen neigende Menschenhasser, wird ein für alle Mal mit dieser dümmlichen Diffamierung aufgeräumt.

Der antinatalistische Grundgedanke, dass man stets Leid kreiert, wenn man einen neuen Menschen schafft, ist seit den griechischen Tragödiendichtern Sophokles und Euripides bekannt.

Bist du tolerant, wenn sich Menschen nicht fortpflanzen wollen?

Einsamkeit und Unglück wartet

Und eigentlich leicht nachzuvollziehen: Schmerz, Traurigkeit, Krankheit, Einsamkeit, Unglück, Angst, Tod – all das erwartet uns!

Virginia Woolf erkannte 1925, dass dies keine Welt ist, die man Kindern antut. Bertrand Russell schrieb 1930 in «Conquest of Happiness», dass die Eltern-Kind-Beziehung in neun von zehn Fällen eine Quelle des Unglücks für alle Beteiligten ist.

Und 2025? Immer noch glauben nicht wenige, dass eine Welt der Kriege, Gewalt, Klimakatastrophen und Fehlentwicklungen aller Art schon eine berauschende Umgebung ist, die man einer neuen Person mit hoher Lebenserwartung zumuten kann.

Es ist also auch diesbezüglich mal wieder genau andersherum!

Wer will Kinder in eine solche Welt setzen?

Leute, die sich reproduzieren, mögen ihre Kinder offenbar so wenig, dass sie sie in eine solche Welt bringen. Sie sind verantwortlich dafür, dass eine unschuldige neue Person leidet und letztendlich stirbt.

Ein italienischer Comic veranschaulicht die Sachlage: Er zeigt ein junges Hetero-Paar mit Baby, dem sie den Klassiker «Du bist die Frucht unserer Liebe» an den Kopf knallen.

Dem Opfer wird folgende Sprechblase gegeben: «Nein, ich bin die Frucht eures mangelnden Bewusstseins, eures irrationalen, viehischen, uralten Verlangens, dem es egal ist, was die Konsequenzen sind, was ich erleiden werde in diesem Leben, dass ich die ganze Zeit Probleme lösen oder bekämpfen muss, die ich nicht verursachte. (...) Nennt es nicht Liebe.» Zack! Solche Comics brauchen wir auch!

Kind frustriert
Nicht alle wollen Kinder auf die Welt stellen. - Depositphotos

Wenn wir Philosophinnen Derartiges schreiben, werden wir (anders als die männlichen Kollegen) regelmässig auf den Scheiterhaufen geschickt.

So auch Patricia MacCormack, deren «Ahuman Manifesto» vor vier Jahren erschien. Ein irischer Professorenkollege von ihr fühlte sich bemüssigt, einen Totalverriss des grandiosen antinatalistischen Werks zu veröffentlichen, womit er sich selbst lächerlich machte.

Kinder nicht angebetet

Als guter Katholik habe er vier Kinder, die sein ganzes Glück wären – nachdem er ankündigt, als professioneller Philosoph die angeblichen Schwächen in MacCormacks Buch zu entlarven.

Selbstverständlich gelingt es ihm nicht, das Manifest zu zerlegen. Alles, was er schafft, ist ein eindringliches Zeugnis gekränkten Daddy-Narzissmus‘.

Wie kann es sich MacCormack anmassen, seine vier Kinder nicht anzubeten? Das ist die einzige Botschaft, die man nach der Lektüre seiner «Rezension» mitnimmt.

Das kennt man von schlicht gestrickten Gemütern mit Kindern, die sich immer auf den Schlips getreten fühlen durch die blosse Existenz kinderfreier Frauen.

Es gibt auch Würdigung

Kolleg:innen mit Herz und Verstand würdigen uns allerdings sehr wohl.

So schreibt Camila Perussello, Aktivistin und Autorin: «Was wäre, wenn sich mehr Frauen statt der Geburt von Kindern dafür entscheiden würden, wichtige Ideen und Projekte, revolutionäre Erfindungen, inspirierende Kunst oder einfach ein erfülltes Leben zur Welt zu bringen?»

Verena E. Brunschweiger.
Autorin Verena E. Brunschweiger. - zvg

Natürlich ist Camilas Muttersprache Englisch, was auch sonst.

Es ist bisweilen ermüdend, immer und immer wieder damit konfrontiert zu werden, wie viel weiter die Diskussion im englischsprachigen Raum ist.

Andererseits gibt es auch bei uns wunderbare Stimmen, wie die von Rolf Löchel, der für Literaturkritik.de schreibt: «Vielmehr wiederholt Brunschweiger in ihrem neuen Buch geduldig noch einmal die ihr wichtigsten Gründe dafür, keine Kinder zu bekommen, wobei es ihr eben nicht zuletzt um das Wohl der Kinder anderer Leute geht. Ihre durchaus altruistische Absicht ist es, den Planeten lebenswert zu erhalten für Tiere, Pflanzen und Menschen.»

Sich nicht fortzupflanzen, sei nun einmal der «grösstmögliche, individuelle Beitrag zum Umweltschutz».

Kleiner Tipp, bevor Sie also das nächste Mal unreflektiert Antinatalisten bashen: Behalten Sie im Hinterkopf, dass diese in den allermeisten Fällen den Planeten für Kreaturen, die schon da sind, lebenswert erhalten möchten.

Wenn das nicht positiv und philanthropisch ist!

Zur Person: Dr. Verena E. Brunschweiger, Autorin, Aktivistin und Feministin, studierte Deutsch, Englisch und Philosophie/Ethik an der Universität Regensburg. 2019 schlug ihr Manifest «Kinderfrei statt kinderlos» ein und errang internationale Beachtung.

Kommentare

User #1843 (nicht angemeldet)

Kinderlose gibt es vor allem in Industriestaaten, bei der die Geburtenraten bereits schon im Keller liegt.

User #745 (nicht angemeldet)

Ja, die Erde ist total überbevölkert. Und ja, es würde helfen, wenn wir weniger wären. Bringt aber nicht wenn wir keine Kinder mehr zeugen und in den Drittweltländern sie immer noch viele Kinder zeugen!

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