Deshalb fordere ich eine Prämie für kinderfreie Frauen
Zu viele Menschen gefährden das Wohlbefinden. Unsere Kolumnistin Verena Brunschweiger will kinderlose Frauen belohnen.
Das Wichtigste in Kürze
- Die deutsche Autorin Verena Brunschweiger schreibt auf Nau.ch Kolumnen.
- Niedrige Geburtenraten seien ein Grund zur Freude, nicht zur Besorgnis.
«Feiert niedrige Geburtenraten!» («Celebrate low birth rates») ist ein Slogan, den man in Portugal oder den Niederlanden auf Strassenschildern lesen kann. Ein für die deutschsprachige Welt unvorstellbares Phänomen.
Der britische Wirtschaftler und Hochschullehrer Adair Turner schrieb, dass es ein Segen ist, wenn wir weniger werden.
Roboter übernehmen die Arbeit von Menschen
Die Automatisierung zahlreicher Arbeiten ist dabei sein Hauptargument. Das sind Informationen, die weder schwer zu bekommen noch schwer zu verstehen sind. Dennoch hält sich die deutschsprachige Abwehr gegen solche Berichte mit einer Hartnäckigkeit, die wirklich ihresgleichen sucht.
Sechs Jahre später hat die KI weitere Bereiche erobert und der Trend wird stärker, nicht schwächer. Noch viel mehr Roboter in allen möglichen Branchen werden die Arbeit von Menschen übernehmen.
Unerträgliche Pseudo-Nachhaltigkeit
Schon 2018 konnte man in den wissenschaftlichen Magazinen lesen, dass der demografische Wandel positiv aufgefasst werden kann und sogar soll. Dann, wenn man ernsthaft an echter Nachhaltigkeit interessiert ist. Und nicht nur pro forma an dieser unerträglich provozierenden Pseudo-Nachhaltigkeit, wie sie sich mit Penetranz im deutschsprachigen Raum hält.
«Zur Fülle schrumpfen» («Shrink towards abundance») ist ein Slogan von «The Great Decrease». Diese Organisation macht aufmerksam darauf, dass nur unsere auf Wachstum ausgerichtete Wirtschaft diese Unmengen neuer Leute/Konsumenten braucht.
Dabei ist es für die Menschen viel besser, nicht in Massen unterzugehen, sondern Lebensqualität für jeden einzelnen zu erringen.
Wenn der Käfig zu voll und zu klein ist
Je dichter man seinem Nachbarn dauerhaft auf der Pelle zu sitzen gezwungen ist, desto mehr wächst die Wahrscheinlichkeit, ihn irgendwann als reines Hindernis zu betrachten.
Wenn es nicht zu viele sind, werden Nachbarn bisweilen als angenehm empfunden. Sie können sogar zum Sicherheitsgefühl beitragen. Wenn die reine Masse an Leuten aber einen gewissen Grad übersteigt, kippt dieses Empfinden. So weit, bis jeder einzelne Nachbar nur noch als Störfaktor und Konkurrent gesehen wird.
Ja, das ist auch bei uns Menschen so, nicht nur bei anderen Säugetieren, die, wenn der Käfig zu voll und zu klein ist, gewalttätig gegeneinander werden.
Konkurrenz um Ressourcen
Niedrigere Geburtenraten bedeuten, dass es für autoritäre politische oder religiöse Führer schwieriger wird, Völker im Geburten- oder Ressourcenkrieg gegeneinander zu hetzen.
Und die Konkurrenz um Ressourcen, die jetzt schon für Millionen Klimaflüchtende verantwortlich ist, schwappt auch nach Europa.
Kinder als Rentenzahler
Es leugnen nur noch ganz wenige Rechtsradikale die Klimakatastrophe und die Tatsache, dass wir keine Rente mehr brauchen, wenn wir keine Luft mehr haben, die man atmen kann.
Kinder als Rentenzahler zu instrumentalisieren (die sie im Übrigen erst mal werden müssen, was die Allgemeinheit einiges kostet), sagt überdies viel über die Mentalität von Eltern.
Bevölkerungswachstum verschärft Krisen
Die «Commission for the Human Future» in Australien weist offen darauf hin, dass das Bevölkerungswachstum alle anderen grossen Krisen des 21. Jahrhunderts verschärft: Ressourcenmangel (momentan bräuchten wir drei Erden!), Massenartensterben, Habitat- und Ökosystemverlust, Umweltverschmutzung, Erderwärmung, Kriege, Krankheiten.
Die Kommission wiederholt die eigentlich leicht zu verstehenden Zusammenhänge der I-PAT-Formel: Impact (Auswirkung) setzt sich zusammen aus Population (Bevölkerung), Affluence (Reichtum) und Technology (Technologie).
Flüchtende werden draussen gehalten
Das heisst: Wir in den westlichen Industrienationen müssen uns zurückhalten – nicht die Leute im Globalen Süden, die ohnehin kaum Ressourcen verbrauchen. Dies ist ein beliebtes «Missverständnis» bei Neonazis, die nichts dabei finden, den Klimawandel zu verursachen, den die Menschen in Afrika, Asien und Lateinamerika ausbaden müssen.
Man wählt dann einfach eine rechtsradikale Partei, um die Flüchtenden, deren Länder nicht mehr bewohnbar sind, draussen zu halten!
Schon Albert Einstein warnte
Schon 1954 warnte Albert Einstein davor, dass zu viele Menschen den Frieden und das Wohlbefinden aller gefährden. Daher ist es eminent wichtig, gerade keine fünfstelligen Willkommenspakete für jedes Neugeborene zu fordern, wie das rechte Parteien tun.
Das Gegenteil ist progressiv, feministisch und nicht zuletzt ökologisch notwendig. Schliesslich wäre in Deutschland eine Bevölkerungszahl von 38 Millionen ökologische Obergrenze, momentan sind wir hier aber mehr als doppelt so viele. Die Schweiz konsumiert sogar 2,5 Mal mehr Umweltleistungen und -ressourcen als global pro Person verfügbar.
Prämie für kinderfreie Frauen
Daher wiederhole ich meine schon 2019 geäusserte Forderung, die der Club of Rome bereits in den 1970ern vorschlug: eine Prämie für jede kinderfreie Frau an ihrem 50. Geburtstag!
Die Schonung der Erde muss belohnt werden. Und die Kulturtechnik der erfolgreichen Verhütung, nicht ungeschützter Sex, der nebenbei bemerkt keinerlei Leistung ist.
Wer den reaktionären, patriarchalen Dienst am Wochenbett verweigert, der hat Support verdient. Nicht Leute, die absichtlich dafür sorgen, dass alles noch schneller unwiederbringlich verloren und kaputtgeht!
Aber eine naive, unbegründet optimistische Wachstumsideologie führt dazu, dass sich Vorurteile hartnäckig halten. So wird eine älter werdende Gesellschaft als rein negativ betrachtet, was nicht zuletzt eine schockierende Akzeptanz von Altersdiskriminierung offenbart.
Dabei muss man mit dem englischen Autor David Pilling feststellen: «Nur in der Wirtschaft wird endloses Wachstum als Tugend gesehen, in der Biologie spricht man von Krebs.»
Zur Person: Dr. Verena E. Brunschweiger, Autorin, Aktivistin und Feministin, studierte Deutsch, Englisch und Philosophie/Ethik an der Universität Regensburg. 2019 schlug ihr Manifest «Kinderfrei statt kinderlos» ein und errang internationale Beachtung.