Bundestagsexperten sehen kaum völkerrechtliche Möglichkeiten gegen US-Sanktionen
Nach Einschätzung des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages gibt es kaum Möglichkeiten, mit dem Völkerrecht gegen die von den USA wegen der Ostseepipeline Nord Stream 2 verhängten Sanktionen vorzugehen.
Das Wichtigste in Kürze
- Dagdelen fordert Bundesregierung trotzdem zum Handeln bei Nord Stream 2 auf.
Solange diese Sanktionen «massvoll» blieben und sich die USA auf den «Schutz nationaler Sicherheitsinteressen» beriefen, könne «das Völkerrecht dem Ergreifen von extraterritorialen Sanktionen nur wenig entgegensetzen», heisst es in einem Gutachten, das die Linken-Abgeordnete Sevim Dagdelen in Auftrag gegeben hatte.
Zudem könnten die beschlossenen US-Sanktionen durch Ausnahmeklauseln im Freundschaftsvertrag oder durch Bestimmungen der Welthandelsorganisation (WTO) gerechtfertigt werden, heisst es in dem AFP vorliegenden Gutachten der Bundestagsexperten weiter. Es bestünde auch kaum eine effektive Möglichkeit für Deutschland, einen etwaigen Verstoss auf internationaler Ebene gerichtlich geltend zu machen - denn dafür sei stets eine Mitwirkung der USA erforderlich.
Dagdelen forderte die Bundesregierung dennoch zum Handeln auf. Sollten die angekündigten US-Strafmassnahmen zur Blockade von Nord Stream 2 tatsächlich umgesetzt werden, «muss die Bundesregierung gegen die extraterritorialen US-Sanktionen vor dem Internationalen Gerichtshof vorgehen», sagte sie der Nachrichtenagentur AFP. Nach ihrer Überzeugung sollte Deutschland klären lassen, ob die USA bereit sind, die Streitigkeiten einem Schiedsgericht oder einvernehmlich dem Internationalen Gerichtshof vorzulegen.
Regierungssprecher Steffen Seibert sagte in Berlin, die Bundesregierung habe «starke Zweifel» daran, dass solche extraterritorialen Sanktionen mit dem Völkerrecht vereinbar seien. Das Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes werde die Regierung nun «genau prüfen und auswerten».
Washington verhängte Ende 2019 Sanktionen, um die Fertigstellung der Pipeline zu verhindern. Mitte Juli drohte die US-Regierung weitere Sanktionen an. Die USA argumentieren, Deutschland und Europa würden sich in eine Energie-Abhängigkeit von Moskau begeben. Die Debatte um Nord Stream 2 ist nach der Vergiftung des Kremlkritikers Alexej Nawalny neu entflammt.