Darum arbeiten junge Leute nur noch Teilzeit
Mehr und mehr junge Menschen wollen nur noch Teilzeit arbeiten. Grund dafür ist ein Wertewandel, dem so leicht nicht mehr entgegengewirkt werden kann.
Das Wichtigste in Kürze
- Viele junge Menschen bevorzugen Freizeit gegenüber der grossen Karriere.
- Grund dafür ist ein Wertewandel, der Bedürfnisse in den Vordergrund stellt.
Karriere machen um jeden Preis? Für viele junge Menschen ist das nicht mehr erstrebenswert. Sie wünschen sich stattdessen eine erfüllte Freizeit, in der eigene Bedürfnisse und Selbstfürsorge ausreichend Platz haben.
Einer von ihnen ist Miguel Pereiro. Der heute 34-Jährige arbeitet seit seinem Bachelorabschluss 80 Prozent. «Damals fühlte sich das Verhältnis von fünf Arbeitstagen und zwei Freitagen einfach falsch an», erinnert er sich.
Und auch heute noch geniesse er den zusätzlichen Tag, an dem er Zeit für Erledigungen, Termine und für sich selbst habe. «All das ist mir wesentlich wichtiger als ein höherer Lohn», betont der Nau.ch-Politik-Redaktor.
Gesundheit geht vor Karriere
Als Millennial zählt Pereiro zu den Vorreitern jener, die ihre Freizeit der Karriere vorziehen. Viele der heute 30-Jährigen arbeiten nämlich vor allem aus familiären – und nicht aus persönlichen – Gründen nur Teilzeit.
Erst mit der Generation Z kam dieser Wunsch nach einer idealen Work-Life-Balance allmählich auf – so beispielsweise auch bei Nau.ch-Leserin Lara N.* Die 23-Jährige arbeitet seit ihrem Berufseinstieg ebenfalls 80 Prozent.
«Arbeiten ist wichtig», gesteht sie. «Die psychische Gesundheit und ein ausgefülltes Privatleben sind allerdings auch wichtig, wenn nicht wichtiger.» Eine Vollzeitstelle käme für sie deshalb derzeit nicht infrage.
Berufswelt ohne Werte?
Daniela Forrer, Psychotherapeutin in integrativer Körperpsychotherapie, stellt diesen «Wertewandel» bei jungen Menschen schon seit geraumer Zeit fest und erklärt: «Mit den neuen gesellschaftlichen Herausforderungen haben sich auch die Prioritäten verändert.»
Früher sei es darum gegangen, das finanzielle Überleben zu sichern. Heute jedoch sei es gleichzeitig auch wichtig, die eigenen Bedürfnisse zu spüren und dieses kommunizieren zu können. «All diese Ansprüche unter einen Hut zu bringen, ist ganz schön anspruchsvoll», betont Forrer.
Dass sich der Teilzeit-Trend so einfach abwenden lässt, bezweifelt die Psychotherapeutin deshalb. «Dafür müsste die Arbeitswelt einen grösseren Fokus auf die Werte legen», sagt sie. «Also sinnstiftende Aufgaben, ein ausgeglichenes Geben und Nehmen, persönliche Wertschätzung und Möglichkeiten zur Selbstfindung.»