Die Angst vor einer Eskalation im Nahen Osten hat den Rohölpreis steigen lassen, ohne dass dies zwangsläufig die Preise an Schweizer Tankstellen erhöht
Ölpreise
Der Ölpreis ist wegen der Eskalation im Nahen Osten bereits gestiegen – der Benzinpreis wird laut einem Experten noch nachziehen. - dpa-infocom GmbH

Die Angst vor einer weiteren Eskalation im Nahen Osten hat den Rohölpreis in der vergangenen Woche in die Höhe getrieben. An den Zapfsäulen der Schweizer Tankstellen muss sich dies aber nicht zwingend in höheren Preisen niederschlagen.

Der Angriff traf den jüdischen Staat ins Mark: Vor genau einem Jahr überfielen Kämpfer der Hamas aus dem Gazastreifen den Süden Israels. Seitdem dreht sich die Gewaltspirale im Nahen Osten immer schneller.

In der vergangenen Woche wurde eine neue Eskalationsstufe erreicht. Der Iran griff Israel mit Raketen an, worauf Israel sofort mit Vergeltung drohte. Als US-Präsident Joe Biden daraufhin gefragt wurde, ob er einen israelischen Angriff auf iranische Ölanlagen unterstützen würde, antwortete er, dies werde in seiner Regierung diskutiert.

Stärkster Anstieg seit Anfang 2023

Dies wiederum hatte direkte Auswirkungen auf die Rohstoffmärkte. Beim Rohölpreis sorgten die Äusserungen nämlich für einen Kurssprung von fast 10 Prozent, was dem stärksten Preissprung seit Anfang 2023 entsprach. Ein Barrel (159 Liter) der bekannten Nordseesorte Brent kostete damit rund 78 US-Dollar, und auch der Preis für die US-Sorte WTI stieg auf rund 75 Dollar.

Der Gegenschlag aus Israel blieb bisher zwar aus. Doch es stelle sich nicht die Frage, ob der Vergeltungsschlag komme, sondern wie umfangreich dieser sein werde und vor allem, wann Israel den richtigen Zeitpunkt dafür als gekommen sehe, sagte Markt-Analyst Frank Sohlleder von ActivTrades. Und Christian Henke von IG ergänzte: «Die gesamte Region sitzt auf einem Pulverfass.»

Sollte Israel tatsächlich die Ölanlagen des Iran ins Visier nehmen, hätte dies vermutlich grosse Auswirkungen auf die Märkte. Rohstoffexperte Carsten Fritsch von der Commerzbank wies darauf hin, dass der Iran zuletzt bis zu 3,4 Millionen Barrel Öl pro Tag gefördert hat. Das entspricht etwa drei Prozent des weltweiten Ölangebots.

Ausfall könnte Ölangebot verknappen

Ein grösserer Ausfall würde nach seiner Einschätzung zu einer spürbaren Verknappung des Ölangebots führen. Zudem bestehe die Gefahr, dass der Iran bei einer weiteren Eskalation den für den weltweiten Ölhandel wichtigen Seeweg durch die Strasse von Hormus blockieren oder zumindest behindern würde, so Fritsch.

Unter Experten gibt es jedoch auch Stimmen, die eine baldige weitere Eskalation für unrealistisch halten. Die US-Regierung könnte hinter den Kulissen Druck auf Israel ausüben, mit einem Gegenschlag bis nach den US-Wahlen Anfang November zu warten, heisst es etwa.

Und es gibt noch andere Faktoren, die den Rohölpreis-Anstieg dämpfen könnten. Die Erwartung, dass mehrere OPEC+-Länder – allen voran Saudi-Arabien – ihre Produktion ab Dezember erhöhen werden, sowie eine wegen der Konjunkturlage allgemein schwache Nachfrage, insbesondere in China, tragen laut Analyst Ricardo Evangelista von ActivTrades zu den Aussichten auf ein genügendes Angebot bei.

Rohölpreis ist nur einer von vielen Einflussfaktoren

Und was bedeutet das alles für den Benzinpreis an der Zapfsäule? Vorerst wohl nicht so viel, denn der Rohölpreis ist nur einer von vielen Faktoren, die den Benzinpreis beeinflussen. Neben dem Rohölpreis sind dies beispielsweise Beschaffungskosten, staatliche Abgaben oder Vertriebskosten, wie Ramon Werner, CEO von Volenergy, zu der auch die Tankstellen von Ruedi Rüssel gehören, gegenüber der Nachrichtenagentur AWP erklärt.

So hängt der Preis für einen Liter Benzin an der Zapfsäule auch von den Kosten für die Rheinfracht ab, denn das Erdöl gelangt in der Regel auf dem Wasserweg in die Schweiz. Und der Wechselkurs zwischen Franken und Dollar spielt eine Rolle, da das Rohöl in der US-Währung gehandelt wird. Steigt der Franken gegenüber dem Dollar, wird das Öl also billiger.

Zu den staatlichen Abgaben zählen laut Comparis wiederum die Mineralölsteuer, der Mineralölsteuerzuschlag sowie die Einfuhrsteuer. Dazu kommt als variable Abgabe die Mehrwertsteuer. Schliesslich fliessen auch die Kosten für den Betrieb der Tankstelle, die Lagerung des Treibstoffs oder die Ausgaben für Werbung und Marketing in den Endpreis ein.

Preisanstieg an den Zapfsäulen wahrscheinlich

Steigen die Preise an den Zapfsäulen, ja oder nein? Ramon Werner: «Ich gehe davon aus, zumal wir derzeit die tiefsten Preise seit drei Jahren sehen.»

Konkret muss man gemäss der internationalen Vergleichswebsite Globalpetrolprices.com in der Schweiz rund 1,75 Franken für einen Liter bleifreies Benzin (95 Oktan) bezahlen. Vor zwei Monaten waren es noch 1,85 Franken, die Benzinpreise sind also in letzter Zeit nicht gestiegen, sondern sogar gesunken. Auch darum könnte es nun – entsprechend der Analyse von Ramon Werner – wieder drehen.

Wie die Erhebungen des Touring Club Schweiz (TCS) zeigen, gibt es sowieso grosse Preisunterschiede zwischen den einzelnen Tankstellen: An der Scall-Tankstelle im thurgauischen Salmsach (bei Romanshorn) beispielsweise mussten die Kundinnen und Kunden laut TCS-Preisradar am Wochenende teilweise nur 1,53 Franken für den Liter Bleifrei 95 auf den Ladentisch legen. Im Gegensatz dazu kostete der Liter Bleifrei 95 etwa an der Eni-Tankstelle an der Zürcher Seestrasse 1,81 Franken.

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