EU-Wettbewerbshüter leiten Untersuchung gegen Amazon ein
Die EU-Wettbewerbshüter wollen sich Amazons Umgang mit Händler-Daten genauer anschauen.
Das Wichtigste in Kürze
- Brüssel nimmt Amazons Umgang mit Daten anderer Händler unter die Lupe.
Wie Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager am Mittwoch erklärte, werde ihre Behörde «die Geschäftspraktiken von Amazon und seine doppelte Funktion als Verkaufsplattform und Einzelhändler unter die Lupe nehmen». Die Kommission möchte mit dem offiziellen Verfahren herausfinden, inwiefern Amazon die gewonnenen Einsichten in die Geschäfte der Händler für die eigenen Verkäufe nutzt - und inwiefern die Daten für die Auswahl der angezeigten Händler im Einkaufswagen-Feld eine Rolle spielen.
Das Bundeskartellamt hatte am Mittwoch sein eigenes Verfahren gegen Amazon wegen dessen Umgang mit den Händlern eingestellt, nachdem der US-Konzern zahlreiche Änderungen in seinen Geschäftsbedingungen ankündigte. So darf Amazon künftig Händlerkonten nicht mehr sofort und ohne Begründung sperren. Ausserdem haftet die Plattform künftig bei Vorsatz und grober Fahrlässigkeit und kann in den Heimatländern der Händler verklagt werden. Die Änderungen gelten laut Amazon ab dem 16. August weltweit.
Das neue Verfahren in Brüssel zielt einer Kommissionssprecherin zufolge nun auf Bereiche ab, die im deutschen Verfahren nicht abgedeckt waren.
Amazon ist eine der grössten Handelsplattformen weltweit und in Deutschland und anderen europäischen Ländern Marktführer. Laut eigenen Angaben stammen 58 Prozent der Verkäufe von externen Händlern - beim Rest tritt Amazon selbst als Verkäufer auf.
Diese Rolle als Partner und Konkurrent der kleineren Händler sorgt bei den Kartellbehörden schon länger für wettbewerbsrechtliche Bedenken. Sie verdächtigen den Konzern, seine marktbeherrschende Stellung missbräuchlich auszunutzen und Wettbewerb zu verhindern oder zumindest einzuschränken.
Nach ersten Erkenntnissen der Kommission scheine Amazon «wettbewerbssensible Informationen über Marktplatzhändler, ihre Produkte und die von den Händlern auf der Plattform vorgenommenen Transaktionen zu nutzen».
Die Kommission will nun prüfen, welche Rolle diese Daten bei der Auswahl von Händlern spielen, die den Platz in der Kauf-Box bekommen. Die Anzeige im Einkaufswagen-Feld ist auf dem Amazon-Marktplatz entscheidend für den Absatz, denn der Kunde kann das Produkt mit einem Klick kaufen. Amazon wählt die angezeigte Anbieter über einen Algorithmus aus, dessen genaue Kriterien nicht bekannt sind.
Amazon erklärte, das Unternehmen werde bei der Untersuchung «vollständig mit der Europäischen Kommission kooperieren». Gleichzeitig bekräftigte der Konzern das Ziel, «Firmen aller Grössen zu unterstützen und ihnen beim Wachstum zu helfen».
Für die Europaabgeordneten Andreas Schwab (CDU) und Markus Ferber (CSU) ist der Fall bereits klar: «Die missbräuchlichen Geschäftspraktiken von Amazon verzerren den Wettbewerb, gerade im Verhältnis zum klassischen Einzelhandel.» Es könne nicht sein, «dass Amazon Daten von Drittanbietern, darunter viele kleine Händler, trotz marktbeherrschender Stellung ausschliesslich zum eigenen Vorteil nutzt und sich damit unzulässige Wettbewerbsvorteile verschafft.»
Die Sprecherin für Wettbewerbspolitik der Grünen im Bundestag, Katharina Dröge, begrüsste die Ermittlungen der Kommission: «Für viele Händler ist Amazon heute so wichtig wie Strassen und Telefonanschluss. So wie wir auch Schienen- oder Telefonnetze regulieren, muss auch Amazon reguliert werden.» Deshalb sei eine europäische «Digitalaufsicht» nötig, die den diskriminierungsfreien Zugang zu zentraler digitaler Infrastruktur kontrolliert und sicherstellt.