Europas Airlines im Stresstest
Das Wichtigste in Kürze
- Die Gewinne europäischer Airlines sinken, manche müssen gar den Betrieb einstellen.
- Ebenfalls sinken die Aktien der grossen Airlines.
An Europas Himmel ist es zum Herbst deutlich ungemütlicher geworden. Während bei Branchengrössen wie der irischen Ryanair die Gewinne schwinden, müssen einige kleinere Anbieter den Betrieb gleich ganz einstellen. Höhere Kerosinpreise und Zinsen sowie die teuren Nachwehen des Chaos-Sommers setzen die Airlines unter harten Stress. An den Börsen haben die Luftverkehrsaktien zuletzt deutlich zum Sinkflug angesetzt, wobei bei den britischen Werten auch die Furcht vor einem ungeregelten Brexit eine Rolle gespielt hat.
Einen Kursabschlag von nicht weniger als 40 Prozent musste beispielsweise der britische Ren Sommerregionalflieger Flybe hinnehmen, nachdem er im Oktober wegen der steigenden Kosten eine Gewinnwarnung herausgegeben hatte. Als Ryanair am Montag erstmals seit fünf Jahren einen sinkenden Gewinn im ersten Halbjahr verkündete, verwies das Management auf den Kollaps kleinerer Gesellschaften wie der Schweizer Skyworks, der belgischen VLM, Small Planet und Azur Air in Deutschland), Cobalt in Zypern und die dänisch-lettische Primera Air.
Auch grössere Gesellschaften gefährdet
Es könnte noch weit grössere Gesellschaften erwischen, warnte Ryanair-Chef Michael O'Leary kürzlich in einem Interview mit dem Luftverkehrsportal «Airliners.de». Norwegian beispielsweise habe sich nur eine geringe Menge Treibstoff zu günstigeren Preisen vorab gesichert und müsse nun den vollen Marktpreis zahlen. Weitere Problemfälle seien die skandinavische SAS oder die portugiesische TAP, während die eigentlich zahlungsunfähige Alitalia voraussichtlich weiter vom italienischen Staat in der Luft gehalten werde.
Kerosin ist derzeit so teuer wie seit vier Jahren nicht mehr. Nach Marktbeobachtungen ist das Flugbenzin seit dem Tiefpunkt 2016 kontinuierlich teurer geworden, allein in diesem Jahr stieg der Preis um rund 40 Prozent. Im September wurde erstmals seit 2014 wieder die Marke von 90 US-Dollar pro Fass überschritten.
Die Lufthansa als Europas grösster Luftverkehrskonzern hatte nach dem ersten Halbjahr 2018 berichtet, in diesem Jahr rund 6,8 Milliarden Franken für Kerosin aufwenden zu müssen – satte 970 Millionen Franken mehr als 2017. Weitere Details wird der DAX-Konzern in der kommenden Woche bei der Zahlenvorlage zum dritten Quartal nennen.
Im ersten Sommer nach der Air-Berlin-Pleite hatte insbesondere die Tochter Eurowings ihr Programm stark ausgeweitet, um Landerechte und Marktanteile abzusichern. Die Ticketpreise in Europa gaben nach Analysen des Airlineverbandes IATA stark nach. Bei eingeschränkter Infrastruktur am Boden und in der Luft folgte für die Branche ein chaotischer Sommer mit etlichen Flugausfällen und Verspätungen, für die auch noch saftige Passagierentschädigungen anfielen. Dem Charterflieger Small Planet haben die Forderungen finanziell das Genick gebrochen. Ryanair, Easyjet oder Eurowings konnten das hingegen verkraften.
Airline-Aktien sinken
Mit ihrem Sinkflug von um die 40 Prozent Kursverlust seit Jahresbeginn ist die Lufthansa-Aktie angesichts des teuren Treibstoffs nicht allein. Im laufenden Jahr haben die Papiere europäischer Fluggesellschaften deutlich an Wert verloren. Der Branchenindex Stoxx 600 Travel & Leisure, in dem auch Reiseveranstalter, Hotels und Restaurantketten enthalten sind, sank seit dem Jahreswechsel um rund 12 Prozent. Für die Aktien der Airlines ging es durchweg abwärts. Im Vergleich zu den Aktien der British-Airways-Mutter IAG und der Billigflieger Easyjet und Ryanair schneiden die Papiere von Lufthansa aber besonders schlecht ab. Nur für die Aktien von Air France-KLM ging es ähnlich stark nach unten.
Die Branche kämpfe mit dem hohen Ölpreis und müsse nun sehr klug planen, sagt O'Leary. «Das sehen wir ja auch an Lufthansa, die ihre Basis in Düsseldorf schliesst – oder eben an Easyjet, die sich aus Porto zurückzieht. Alle Airlines fahren ihr Angebot zurück – wegen niedriger Ticketpreise und dem hohen Ölpreis.»
Das sei auch der wahre Grund für die zum 5. November geplante Stationsschliessung von Ryanair in Bremen – die Gewerkschaften hatten den Abzug von zwei Maschinen hingegen als Strafaktion für vorangegangene Streiks bewertet. O'Leary wäre nicht er selbst, wenn er nicht auch aus der Pleitewelle einen provokanten Schluss ziehen würde. Es seien nun verstärkt gut ausgebildete Crews auf dem Arbeitsmarkt, liess er die Gewerkschaften wissen.