EZB hält an Strafzins und geplanten Anleihekäufen fest
Die Europäische Zentralbank (EZB) hat nach ihrem letzten Ratstreffen unter Noch-Präsident Mario Draghi die Leitzinsen unverändert gelassen.
Das Wichtigste in Kürze
- Präsident Draghi verteidigt geldpolitischen Kurs vor Führungswechsel.
Wie Draghi am Donnerstag in Frankfurt erklärte, beträgt der Einlagezins für Banken weiterhin minus 0,5 Prozent. An ihrem Anleihekaufprogramm ab November hält die Zentralbank demnach ebenso unverändert fest. Damit bleibt die EZB vor dem Amtsantritt von Christine Lagarde auf ihrem expansiven geldpolitischen Kurs.
Die Massnahmen seien angesichts weiter schwachen Wirtschaftswachstums und einer Inflation in der Eurozone von zuletzt 0,8 Prozent notwendig, betonte Draghi. Der zentrale Leitzins von 0,0 Prozent bleibt demnach unverändert, er ist seit März 2016 auf diesem Rekordtief. Bei kurzfristigen Kapitalspritzen und sogenannten Übernachtkrediten werden ebenfalls wie bisher 0,25 Prozent Zinsen fällig.
Der EZB-Rat erwartet, dass die Zinssätze stagnieren oder weiter gesenkt werden, bis die mittelfristigen Inflationserwartungen dem angestrebten Ziel von knapp unter zwei Prozent «ausreichend nahe» kommen, wie Draghi weiter erklärte. Die EZB sei «in jedem Fall bereit, alle ihre Mittel soweit erforderlich anzupassen». Wirtschaftliche Verbesserungen hätten negative Nebeneffekte niedriger Zinsen bislang «mehr als ausgeglichen», sagte Draghi.
Um Konjunktur und Inflation anzukurbeln, hatte die Zentralbank im September den Einlagezins von minus 0,4 auf minus 0,5 Prozent abgesenkt. Das sollte Banken animieren, das Geld für die Kreditvergabe an Unternehmen und Privatkunden auszugeben. Analysten sehen allerdings zunehmend die Gefahr, dass die Institute den sogenannten Strafzins auch an private Sparer weiterreichen. Der Einlagezins ist seit 2014 negativ.
Zusätzlich will die EZB ab dem 1. November wieder Anleihen für bis zu 20 Milliarden Euro im Monat kaufen. Draghi bekräftigte am Donnerstag seine vorherige Aussage, wonach das Kaufprogramm «so lange wie nötig» laufen und erst kurz vor einer Wiederanhebung der Zinssätze enden soll.
Der momentane EZB-Kurs und speziell die Entscheidung vom September brachten Draghi in den vergangenen Wochen in- und extern Kritik ein. Die deutsche Notenbankerin Sabine Lautenschläger verliess das EZB-Direktorium - offenbar wegen Meinungsverschiedenheiten um die ultralockere Geldpolitik.
Aus Sicht der Analysten der britischen Prüfungsgesellschaft Capital Economics zeigte sich das Gremium zuletzt «tief gespalten». Carsten Brzeski, Ökonom bei der Bank ING, sprach von einem «anhaltenden Rosenkrieg» in der Notenbank. «Wir haben Diskussionen, jeder hat Diskussionen», relativierte Draghi - das sei bei Finanzfragen normal.
Lagarde, die ihn am 1. November als EZB-Chefin beerbt, nahm als Beobachterin an seiner letzten Ratssitzung teil. Ihr wird unter anderem die Aufgabe zukommen, Spannungen und Grabenkämpfe in dem Gremium zu beenden und nach aussen eine möglichst handlungsfähige Zentralbank zu repräsentieren. «Sie weiss vollkommen, was sie tun muss» und werde ihre eigenen Ansichten entwickeln, sagte Draghi.
Im August hatte Lagarde zwar erkennen lassen, dass sie vorerst am Kurs ihres Vorgängers festhalten will. Das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim erwartet von ihr gleichwohl «einen Prozess zur Überprüfung der geldpolitischen Strategie», bei dem es um «die mögliche Neuformulierung des Inflationsziels» gehen werde.
ZEW-Präsident Achim Wambach forderte in diesem Zusammenhang auch eine transparentere Zentralbank: «Eine Veröffentlichung der Protokolle der Sitzungen» sei dienlicher als der jetzige Zustand, «wo Stimmungen und Meinungsunterschiede innerhalb des EZB-Rates über Interviews einzelner Teilnehmer nach der Sitzung in die Öffentlichkeit gelangen».