Label-Bschiss? Coop gewinnt, Bauern und Schweine haben das Nachsehen
Coop gibt die Kontrolle ihres Naturafarm-Labels an IP Suisse ab. Das sorgt für Kritik bei Schweinebauern und Tierschützern. Coop verspricht indes mehr Tierwohl.
Das Wichtigste in Kürze
- Coop gibt die Kontrolle ihres Naturafarm-Labels an IP Suisse ab.
- Dieses arbeitet aber mit tieferen Standards als Naturafarm, was der Tierschutz kritisiert.
- Zudem erhalten die Schweinebauern künftig weniger Prämien.
Wer künftig im Coop zum Schweinssteak greift, weiss nicht mehr genau, was er erhält. Ein Produkt mit der Label-Aufschrift «Naturafarm» entspricht nämlich nicht mehr länger diesen Labelstandards. Sondern jenen von IP Suisse. Und die sind tiefer als Naturafarm.
Allerdings: IP Suisse will die Mindestgesamtfläche erhöhen. Der Schweizer Tierschutz bewertet die Fläche pro Tier sowie die Auslaufmöglichkeiten derzeit als genügend. Bei Naturafarm sind diese Kriterien bereits mit top bewertet.
Wer profitiert also von diesem Outsourcing der Label-Richtlinien von Coop an IP Suisse? Primär Coop selbst. Denn: Für die Tiere gibt es wie bereits erklärt – vorerst – keine Verbesserung.
Auch die Konsumenten profitieren nicht. Trotz weniger strengen Labelstandards: Die Preise der betroffenen Produkte werden vorläufig nicht angepasst, wie Coop bestätigt. Generell würden aber Einsparungen bei der Beschaffung an Kunden weitergegeben.
Coop sagt auf Anfrage: «Wir bieten weiterhin Schweizer Schweinefleisch mit höchster Qualität, das unsere hohen Anforderungen an eine nachhaltige Produktion erfüllt.» Das bezweifelt der Schweizer Tierschutz.
Schweinebauern erhalten weniger Geld
Wenig erfreut sind auch die Schweinebauern. Neu erhalten sie nämlich nur noch 20-40 Rappen pro Kilogramm Fleisch. Bisher waren es 50 Rappen, wie Raphael Helfenstein vom Schweizerischen Schweinezucht- und Schweineproduzentenverband bestätigt.
Weniger Prämie bedeutet weniger Einnahmen, erklärt Helfenstein. «Die voraussichtliche durchschnittliche Prämie von 30 Rappen pro Kilogramm bei IP Suisse bedeutet für einen geschlossenen Betrieb mit 70 Zuchtsauen 31'000 Franken weniger.»
Dass Coop in der Medienmitteilung schreibt, das Tierwohl würde sich verbessern, kann Helfenstein nicht nachvollziehen. Coop schreibt dazu: «Im Bereich Nachhaltigkeit (Biodiversität und Tierwohl) steigern wir uns gemeinsam auf einen noch höheren Standard.»
Schweizer Tierschutz: «Coop schleicht sich aus der Verantwortung»
Dieser Punkt erscheint auch Tierschützerin Helen Sandmeier vom Schweizer Tierschutz widersprüchlich. «Die IP-Suisse-Labelstandards lassen sich nicht von einem Tag auf den anderen erhöhen.» Das wäre für die tierhaltenden IP-Suisse-Bauern nicht umsetzbar.
«Dem Konsumenten wird – und das ist doch etwas unschön – das unter den heutigen IP-Suisse-Standards produzierte Schweinefleisch als Naturafarm Porc angeboten», kritisiert Sandmeier.
Es könne allerdings auch eine Chance sein, das Tierschutzniveau auf den IP-Suisse-Betrieben insgesamt zu verbessern. «So gesehen wird sich das heutige Tierwohl-Niveau und die Anforderungen der IP-Suisse-Standards tatsächlich mittelfristig erhöhen.»
Sandmeier bedauert, dass Coop bei Naturafarm-Schweinefleisch die Verantwortung für Lieferanten abgibt. «Coop war Vorreiter in Sachen Tierwohl. Nun lässt das Engagement nach.» Das sei bedauerlich.