Mieterbund: Millionen Menschen können Energiekosten nicht mehr bezahlen
Der Deutsche Mieterbund befürchtet, dass die hohen Energiekosten sehr viele Menschen finanziell überfordern werden.
Das Wichtigste in Kürze
- Verein fordert Schutz vor Kündigungen - Linke will Energiegeld für Arme.
«Wir sprechen hier über Millionen», sagte Vereinspräsident Lukas Siebenkotten dem «Tagesspiegel» (Montagsausgabe). Er forderte eine umfassende Reform des Wohngelds und einen besseren Kündigungsschutz für Mieter. Die Bundesnetzagentur und der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) riefen angesichts der befürchteten Versorgungsprobleme im Winter eindringlich zum Energiesparen auf.
Der Mieterbund schätzt, dass mindestens das untere Einkommensdrittel der deutschen Bevölkerung die steigenden Kosten für Energie nicht zahlen kann. «Das sind verdammt viele Menschen», sagte Siebenkotten. Betroffen seien vor allem Menschen, die knapp oberhalb jeder staatlichen Transferleistung liegen.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat bereits eine Wohngeldreform mit Ausweitung des Berechtigtenkreises angekündigt; die Details sind noch unklar. Siebenkotten sagte dazu, die Einkommensgrenzen für Menschen, die Wohngeld beanspruchen können, müssten «deutlich» erhöht werden. Er nannte als Grenze ein Haushaltsnettoeinkommen von 5000 Euro im Monat.
Zudem müssten eine jährliche Heizkostenpauschale und eine Klimakomponente ins Wohngeld eingebaut werden, forderte Siebenkotten. Damit könnten etwa Mietsteigerungen im Anschluss an eine energetische Sanierung aufgefangen werden.
Als weiteren Schritt forderte Siebenkotten für Mieter, die die hohen Energiekosten nicht zahlen können, einen Kündigungsschutz und eine zweijährige Stundung der Schulden. «Man muss Mieter auch vor Kündigungen schützen, wenn sie erhöhte Vorauszahlungen nicht leisten können.»
Der Linke-Vorsitzende Martin Schirdewan forderte für jeden armutsgefährdeten Haushalt ein Energiegeld von 125 Euro monatlich ? plus 50 Euro für jede weitere Person in diesem Haushalt. Ausserdem wolle seine Partei ein gesetzliches Verbot von Gas- und Stromsperren, wenn Menschen die Rechnungen nicht mehr bezahlen können, sagte Schirdewan der «Rheinischen Post» und dem Bonner «General-Anzeiger» (Montagsausgaben).
Nötig seien ausserdem Energiesparvorgaben «für die Hauptverbraucher», die auch grösseren Einfluss auf ihren Verbrauch hätten, sagte der Parteichef - «das ist nun mal die Industrie».
Die Bundesnetzagentur und der vzbv forderten allgemein zum Energiesparen auf. Der Verbrauch müsse viel stärker sinken als bisher geschehen, sagte Netzagentur-Chef Klaus Müller der «Welt am Sonntag». Um eine Gasmangellage im Winter zu vermeiden, sei ein Minus von mindestens 20 Prozent nötig.
Zusätzlich zu den Einsparungen müssten auch die Durchleitungen von Gas an Nachbarländer um 20 Prozent reduziert werden, ausserdem benötige Deutschland zehn bis 15 Gigawattstunden Gas aus anderen Ländern. «Wenn wir nicht kräftig sparen und kein zusätzliches Gas bekommen, haben wir ein Problem», sagte Müller.
«Jede eingesparte Kilowattstunde hilft, mit dem vorhandenen Gas durch den Winter zu kommen, und spart dabei bares Geld», sagte auch vzbv-Chefin Ramona Pop der «Rheinischen Post». «Alle müssen sich jetzt ins Zeug legen - Industrie, Handel, Gewerbe, öffentliche Hand und private Haushalte.»
Einige Verbraucherinnen und Verbraucher hätten allerdings «kaum noch Potenzial», um ihren Energieverbrauch zu senken, fügte Pop hinzu. «Gerade Geringverdienern fallen weitere Einsparungen schwer.» Zielgerichtete finanzielle Hilfen für Menschen und Haushalte mit geringem Einkommen seien somit «existenziell wichtig».