Migros: Konsumentenschutz jubelt – Bauern enttäuscht
Die Migros bewertet neu die Umweltbilanz von Eigenmarken-Produkten. Das kommt beim Konsumentenschutz gut an. Bauern sind skeptisch.

Das Wichtigste in Kürze
- Neu bewertet Migros Produkte nach Tierwohl- und Umweltstandards.
- Der Bauernverband wurde nicht in das Projekt einbezogen.
- Gemäss dem Experten dürfte sich das Konsumverhalten nur gering ändern.
Die Migros gibt sich transparent. Neu zeigt der orange Riese direkt auf der Verpackung, wie umwelt- und tierfreundlich die angebotene Ware ist. Alle Eigenmarken-Produkte werden bis 2022 mit dem neuen Label ausgestattet. Das entspricht 80 Prozent des Sortiments.
Dabei orientiert sich die Migros an Hotel-Sternen. Die schlechteste Bewertung ist ein Stern, das beste Resultat fünf Sterne. Das Bewertungssystem ist unter anderem gemeinsam mit Myclimate entstanden.

Das Resultat sieht so aus: Das M-Classic-Poulet kriegt beim Tierwohl drei Sterne, bei der Ökobilanz zwei Sterne. Die Bewertung orientiert sich am ganzen Sortiment und nicht an der Produktkategorie. So erreicht ein Stück Rindfleisch wegen hoher Treibhausgasemissionen nie mehr als einen Stern im Klima-Bereich.
Migros geht weiter als Konkurrenz
Der orange Riese ist aktuell die einzige Detailhändlerin in der Schweiz mit so einem System. Lidl hat im Februar einen Tierwohl-Kompass lanciert, der allerdings nur bei Fleischprodukten zum Einsatz kommt.
Das neue Label kommt gut an. Umweltschützer begrüssen die Bewertungen. Auch Sara Stalder, Geschäftsleiterin der Stiftung für Konsumentenschutz, ist erfreut, «dass die Migros diesen Schritt macht». Diese Transparenz habe man seit Jahren gefordert.

Wie zuverlässig das Label ist, wird die Stiftung noch überprüfen müssen. «Auf den ersten Blick scheinen uns die wichtigsten Aspekte aufgenommen worden zu sein. Es wäre auch eigenartig, wenn die Migros hier ein grosses Projekt machen würde und die Kriterien schwammig und unglaubwürdig wären.»
Bauern wurden nicht einbezogen
Skepsis erntet die Offensive beim Schweizer Bauernverband. «Wir sind von der Migros nicht einbezogen worden, was wir sehr bedauern», sagt Sprecherin Sandra Helfenstein. Darum muss auch hier zuerst das System analysiert werden.
«Grundsätzlich befürworten wir Transparenz. Gerade im Bereich Tierwohl kann ein neues System im unübersichtlichen Labelmarkt Klarheit bringen», sagt Helfenstein. Bezüglich Nachhaltigkeit hat sie allerdings Bedenken.

«Bei Beurteilung der Klimawirksamkeit von Nahrungsmitteln spielen viele verschiedene und zum Teil widersprüchliche Faktoren mit.» Gerade bei Rindfleisch und bei Milchprodukten komme es stark auf die Fütterung an.
Experte sieht geringe Wirkung
Doch was nützt so ein Label überhaupt? Die Bewertung dürfte Einfluss auf das Konsumverhalten haben, glaubt Wirtschaftspsychologe Christian Fichter. «Leider ist der Einfluss ungefähr so gross, wie das Label auf dem Etikett gedruckt ist – also klein.»
Nachhaltigkeit sei nur eine von vielen Informationen, auf die Konsumentscheidungen gestützt würden. «Zudem ist es noch eine Minderheit, für die Nachhaltigkeit wirklich einen so hohen Stellenwert hat, dass sie aktiv danach sucht.»
Droht dem Nachhaltigkeitscheck das Gleiche wie der Energie-Etikette beim Auto? Nach der Jahrtausendwende eingeführt, konnte sie den SUV-Boom nicht aufhalten. Selbst Umwelt-Experten geben hinter hervorgehobener Hand zu, dass das Etikett eigentlich nutzlos sei. Den Vergleich will Fichter aber nicht ziehen: «Das Label bei Lebensmitteln dürfte definitiv erfolgversprechender sein.»