Präsident von Alpiq Holding: Kein Interesse an AKW-Bau
Johannes Teyssen, der Präsident von Alpiq Holding, verneint das Interesse des Unternehmens an einem neuen AKW-Bau.
Das Wichtigste in Kürze
- Der Präsident von Alpiq spricht über den Bau eines neuen AKWs.
- Laut Johannes Teyssen hat die Firma kein Interesse an einem Kernkraftwerk.
Laut dem Verwaltungsratspräsidenten von Alpiq Holding und früheren CEO des deutschen Energieriesen E.ON, Johannes Teyssen, will Alpiq Holding keine neuen AKW bauen. Wichtig sei aber, dass die vorhandenen grossen Wasser- und Kernkraftwerke erhalten blieben.
«Wir sollten unsere Energie besser für die anderen Diskussionen einsetzen als für Debatten um neue Kernkraftwerke.» Dies sagte er im Interview mit der «NZZ am Sonntag». Ihm falle nicht viel ein, mit dem man die Kernkraftwerke Gösgen oder Leibstadt ersetzen könne. Ein längerer Betrieb als die immer wieder ins Spiel gebrachten 50 oder 60 Jahre sei machbar.
«Ich werde niemals den Betrieb eines Kernkraftwerkes unterstützen, wenn ich nicht absolut sicher bin, dass das sicherheitstechnisch vertretbar ist.» Den Bau neuer Atomkraftwerke hält Teyssen weder in der Schweiz noch in Deutschland für realistisch. «Dazu fehlt es an zu vielem: am gesellschaftlichen Konsens und an der industriellen Kompetenz. Kein Energieversorger möchte eines bauen, keine Bank es finanzieren.»
Alpiq Holding ist möglicher Investor
Die Alpiq Holding sei jedoch fähig und bereit, in andere Kraftwerke zu investieren. «Investoren dürften für saubere, flexible Kraftwerke im unterversorgten Markt künftig Schlange stehen», sagte er.
Eine Möglichkeit dafür wäre etwa die Windkraft. Obwohl allgemein angenommen werde, dass die Windkraft in der Schweiz beschränkt bleibe, könne man dieses Thema durchaus nochmals diskutieren. «Schauen Sie einmal, was auf Spaniens Bergen so an Windkraft herumsteht.»
Für realistisch hält er zudem einen Ausbau der Photovoltaik in der Schweiz. Und zwar nicht nur auf Dächern, sondern auch auf Freiflächen. «Da ist die Schweiz mit ihrer Geografie gut aufgestellt. Ich würde erwarten, dass wir jetzt gemeinsam mit grösster Kraft und Eile einsteigen.»
Eile ist laut Teyssen zudem auch beim Ausbau der Wasserkraft geboten, meint der Alpiq Holding Präsident. Die 15 Projekte, die vom Bund identifiziert wurden, seien essenziell. «Da müssen wir schnell Hindernisse aus dem Weg räumen, damit wir bereits in drei oder vier Jahren erste Ergebnisse sehen.» Ihm sei zwar klar, dass die Schweizer Politik stark auf Konkordanz und Ausgleich ausgerichtet sei.
«Ich fürchte aber, dass uns beim Thema Energie die Zeit davonläuft.» Teyssen hält den Bau von Gaskraftwerken für den Notfall, wie von Bund geplant, ebenfalls für sinnvoll. Auch wenn man heute noch nicht wisse, wo dieses Gas kurzfristig herkommen solle. «Künftig können solche Anlagen auch mit grünem Gas oder Wasserstoff laufen», sagte er.
Reaktion wegen Ukraine-Krieg
Ein Boykott von russischem Gas, wie er derzeit in Deutschland diskutiert wird, ist laut Teyssen zumindest kurzfristig nicht möglich. «Selbst wenn alles gut läuft und die dafür notwendigen Infrastrukturen rasch gebaut werden können, dauert das drei Jahre», sagte er.
Das Problem sei nicht die mangelnde Ingenieurskompetenz in Deutschland und der EU, sondern die Fähigkeit zur Durchsetzung von grossen Projekten. Die nötigen Flüssiggasterminals und Anschlussleitungen könnten kaum rasch gebaut werden, ohne Konflikte mit Anwohnern und Interessengruppen auszulösen. «Ohne russisches Gas laufen wir in eine schwere Rezession und schädigen die europäische Wirtschaft nachhaltig», so Teyssen.
Die aktuelle Energiekrise habe sich aber schon lange vor der russischen Invasion in der Ukraine, nämlich im letzten Jahr, abgezeichnet. «Ein Grund war, dass sich Frankreich wegen stillstehender Atomkraftwerke nicht mehr selbst versorgen konnte.»
Kein Boykott in Aussicht
Man habe von Mitte der Fünfziger- und Mitte der Achtzigerjahre die letzten grossen Infrastrukturen gebaut. «Seither leben wir von dem, was unsere Mütter und Väter geschaffen haben», sagte er. Man habe zu wenig in erneuerbare Energien investiert und sei nun zu stark von einzelnen Lieferanten abhängig.
Ein Boykott dürfe darum nur das allerletzte Mittel sein. Die Bevölkerung zeige sich zwar derzeit zu allem bereit. «Was dabei aber vielen nicht bewusst ist: Diese Energiekrise wird nicht einfach vorüber sein, wenn sich die Situation in der Ukraine einmal beruhigt», sagte Teyssen.
Selbst wenn man das russische Gas ersetzen könne, würden die Energiekosten nie mehr so tief sein wie im letzten Jahrzehnt. «Und das wird negative Folgen für den Wirtschaftsstandort Europa haben.»